Die Vorzeichen waren klar vor dem Saisonfinish in der Kreisliga A 3 in Dortmund: Mit einem Punkt Vorsprung ging die ÖSG Viktoria ins letzte Saisonspiel, ein Sieg bei Vatanspor Derne würde für den Bezirksligaaufstieg reichen. Am Karl-Kiehm-Weg in Lünen trat derweil der VfB Lünen gegen Viktoria Kirchderne an, um mit einem Heimsieg seine letzte Chance auf den Aufstieg zu wahren.
Zittern am Handy
VfB-Coach Andreas Roch, der das Zepter in der kommenden Saison an seinen bisherigen Co-Trainer Michael Schlein weiterreicht und selbst auf den Posten des Sportlichen Leiters wechselt, verspürte schon vor dem Anpfiff Unbehagen. "Wir waren tatsächlich nervös. Das hat man dann unserem Spiel auch angemerkt." Der VfB biss sich jedoch rein in die Partie und kam durch Enrico Christal (44.) zur beruhigenden 1:0-Führung.
Die Lüner atmeten kollektiv auf und wurschtelten den knappen Dreier irgendwie über die Zeit. "Uns war klar, dass die Partie in Derne eine halbe Stunde später angefangen hatte. Jeder saß also nach Schlusspfiff am Handy und hat gezittert", beschreibt Roch die Szenerie.
"Wir sind ausgerastet"
Chaos hatte auch der Ort des Lüner Interesses, die Sportanlage Zum Bärenkamp zu bieten, wo die ÖSG Viktoria ihren Matchball bei Vatanspor Derne nutzen wollte. Weil sich im familiären Umfeld eines Vatanspor-Spielers ein Trauerfall zugetragen hatte, wollten ÖSG und Vatanspor das Spiel kurzfristig verlegen, doch der Staffelleiter konnte nicht anders, als dem einen Riegel vorzuschieben. So rollte erst eine halbe Stunde nach dem Anpfiff in Lünen auch in Derne der Ball.
Die Mannschaft von Andre Gordon, die eine so formidable Saison gespielt hatte, tat sich mit der defensiven Taktik der Hausherren mehr als schwer. "Wir hatten damit viele Probleme, waren zwar überlegen, aber das Tor wollte einfach nicht fallen", berichtet Dirk Krause, Sportlicher Leiter der ÖSG. Julian Schiedemann traf in der 86. Spielminute den Innenpfosten - der Ball rollte wieder aufs Spielfeld. "Wir sind an der Seitenlinie schier ausgerastet. Das waren pure Emotionen und auch auf dem Spielfeld ging es drunter und drüber", erzählt Krause.
Der Spielertrainer macht es selbst
Tumulte über Schiedsrichterentscheidungen prägten das Bild, Zuschauer stürmten kurzzeitig das Spielfeld, am Ende entschied der Schiedsrichter auf eine Nachspielzeit von 15 Minuten. Andre Gordon, der wie sein VfB-Kollege Andreas Roch ebenfalls zum Saisonende aus seinem Amt scheidet, beorderte sich selbst in den Angriff und wurde prompt zum Helden der ÖSG. "Er hat die Kugel ganz überlegt zum 1:0 reingemacht. Danach sind bei uns alle förmlich explodiert. Das war Freude pur", war Krause noch am Tag danach völlig hin und weg. Der Siegtreffer des Spielerstrainers (98.) Gordon wurde sogar noch gekrönt durch das 2:0 durch Samet Kaya (105.), das Meisterschaft und Aufstieg für die ÖSG Viktoria bedeutete. Krause: "Andre hat sich in seinem letzten Spiel selbst gekrönt. Das war einfach nur der Wahnsinn, wir sind sehr glücklich."
Völlig konträr gestaltete sich die Gefühlslage beim VfB Lünen, der abermals nur hauchdünn am Aufstieg vorbeischrammte. In Minute 98 platzte der Lüner Traum von der Bezirksliga. "Alle waren unglaublich enttäuscht. Ich habe aber nochmal einen Appell an die Mannschaft gerichtet und sie aufgebaut. Wir haben ein kleines Lied angestimmt und einfach das Beste daraus gemacht. Am Ende gab's dann eben eine Fast-Aufstiegs-Party bei uns", gibt Lünens Andreas Roch die Geschehnisse wieder. Für den VfB geht es in der kommenden Saison nun wieder darum, in der Spitzengruppe anzugreifen. Diesmal nur vielleicht mit einem besseren Ende...