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Bilal Rammo
Zwischen Gefängnis und Fußballplatz

Bilal Rammo: Zwischen Gefängnis und Fußballplatz

Bilal Rammo hat einen steinigen Weg hinter sich. Der ehemalige Verbandsliga-Kicker wurde im Jahr 2008 zu einer viereinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Ein halbes Jahr davon saß Rammo in Untersuchungshaft. Mittlerweile hat er aber wieder Grund zum Lachen, denn das Schlimmste hat der gebürtige Libanese überstanden. Seit einigen Monaten befindet er sich im offenen Strafvollzug, der ihm die Möglichkeit gewährt, eine Ausbildung zu absolvieren und am Trainings- und Spielbetrieb des A-Ligisten VfB Frohnhausen teilzunehmen. Gleich in seinem ersten Pflichtspiel, das er am vergangenen Sonntag gegen den FC Karnap bestritt, brachte er den VfB durch seinen Ausgleichstreffer auf die Siegerstraße. Aufgrund guter Führung winkt ihm im kommenden Oktober die vorzeitige Entlassung.

Die Bilder seiner Zelle, die er während der Untersuchungshaft bewohnte, hat Rammo jedoch noch haargenau vor Augen. Es sind Eindrücke, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Der etwa fünf Quadratmeter große Raum war ausgestattet mit einem Bett, einem Tisch samt Stuhl, einem Minifernseher sowie einer Waschgelegenheit und einer freistehenden Toilette. Ein sogenanntes „Wohnklo“, wie es im Fachjargon der Inhaftierten heißt. Der Kontakt zu anderen Gefangenen blieb Rammo verwehrt. Zum Höhepunkt der monotonen Isolationshaft avancierte der morgendliche Spaziergang auf dem Gefängnishof, nicht größer als der Sechzehnmeterraum auf einem Fußballfeld. Genau eine Stunde schweiften die Blicke entlang des Sicherheitszauns und der Mauern. Der Rest des Tages wurde auf der Zelle verbracht, ein halbes Jahr lang.

Rammo spielte Poker - mit sich selbst

Pendelt zwischen Gefängnis und Fußballplatz: Bilal Rammo, hier noch im Trikot des FC Kray

Die Beschäftigungsmöglichkeiten waren spärlich. Wenn der Hobbyfußballer genug von den täglichen Talkshows hatte, spielte er Karten – alleine. Es sei „eine Art Poker“ gewesen, erinnert sich der 26-Jährige. Erschwerend hinzu kam die quälende Ungewissheit über die Dauer des Aufenthalts. Rammo wartete seit dem ersten Tag auf den Beginn des Verfahrens und das Urteil. „Da ich nicht wusste, wie lange es dauern würde, konnte ich noch nicht mal die Tage zählen. Mir war nicht klar, ob ich dort zwei Wochen oder ein ganzes Jahr verbringen musste. Letztlich wurden es sechs Monate. Das war die schwerste Zeit meines Lebens“, reflektiert der Ex-Krayer.

Im Gefängnis waren "richtig gute Zocker"

Nach der Urteilsverkündung folgte die Verlegung in die Justizvollzugsanstalt in Gelsenkirchen. Für Rammo der Beginn eines halbwegs normalisierten Tagesablaufs. Innerhalb der Anstalt arbeitete er täglich acht Stunden als Schlosser. Das zuvor quälende Verlangen nach einer Beschäftigung war verschwunden. Nach Feierabend bestand die Gelegenheit, für zwei Stunden Sport zu treiben. Wenig überraschend entschied sich Rammo stets für Fußball. Auf einem Aschenplatz kickten die Gefangenen regelmäßig untereinander. Der gelernte Stürmer hatte zunächst Mühe, die überschüssigen Pfunde, die er während der beschäftigungslosen Untersuchungshaft angesammelt hatte, loszuwerden. „Das war am Anfang überhaupt nicht einfach, schließlich hatte ich ein halbes Jahr nur rumgesessen“, sagt Rammo, der das Niveau seiner damaligen Mitspieler im Gefängnis lobend hervorhebt: „Da waren schon einige richtig gute Zocker dabei. Mehrere Jungs haben regelmäßig in Vereinen gespielt. So hat es natürlich noch mehr Spaß gemacht.“

Siegtor zum Klassenerhalt im Hafturlaub

Das ersehnte Ende des geschlossenen Vollzugs erfolgte im letzten Sommer, verbunden mit einer Verlagerung in die JVA Bielefeld-Senne. Nach zwei Jahren ununterbrochener Haft konnte sich der Deutsch-Libanese über seinen ersten Ausgang freuen. Dazu begann ein regelmäßiger Hafturlaub an den Wochenenden. Rammo nutzte die freie Zeit, um sonntags wieder seiner Leidenschaft für den Fußball nachzugehen. Der FC Kray hatte ihm trotz seiner Haftstrafe die Tür offen gehalten. Eine Maßnahme, die sich für den Klub bezahlt machte. Im letzten Meisterschaftsspiel der vergangenen Saison rettete der Sturmtank die Zweitvertretung der Krayer mit seinem entscheidenden Siegtreffer vor dem Abstieg. „Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wieder in einem Punktspiel auf dem Platz zu stehen. Dass wir dank meines Treffers die Klasse gehalten haben, war die Krönung“, schildert Rammo.

Ausbildungsplatz bei Sport Duwe

Zur Rückrunde der aktuellen Spielzeit hat er sich dem ambitionierten A-Ligisten VfB Frohnhausen angeschlossen. Für den Vereinswechsel besaß er gute Gründe. VfB-Coach Issam Said hatte seinem Landsmann zu einem Ausbildungsplatz im Sportgeschäft „Sport Duwe“ verholfen. Rammo bekundete seine Wertschätzung für seinen neuen Arbeitgeber mit der Unterschrift beim derzeitigen Tabellenführer der Kreisliga A im Essener Nord-Westen. Als Gegenleistung für die Bemühungen Saids wolle er Frohnhausen in die Bezirksliga schießen: „Ich bin Issam zu großem Dank verpflichtet. Er hat mir durch die Ausbildung eine große Chance für meinen weiteren Lebensweg geebnet. Diese möchte ich unbedingt nutzen, denn mir ist bewusst geworden, dass ich früher großen Mist gebaut habe. Fehler dieser Art werde ich nicht mehr machen“, versichert Rammo.

Rückkehr in die JVA um 21.45 Uhr

Nachdem sich die Verantwortlichen der JVA Senne im letzten Jahr einen positiven Eindruck von der Ausbildungsstätte verschafft hatten, erhielt er offiziell grünes Licht. Seitdem macht er sich jeden Morgen von Bielefeld auf den Weg nach Essen-Altendorf, um seine Arbeit anzutreten. Drei Mal in der Woche geht es anschließend zu den Trainingseinheiten der Frohnhauser. Um 21.45 Uhr wird er in Senne zurückerwartet. Rammos Dankesbekundungen richten sich auch an die Entscheidungsträger der JVA: „Es ist toll, dass man sich in Senne sehr kooperativ verhält. Mir wurde sowohl die Ausbildung als auch der verlängerte Ausgang für das Training gestattet. Besser hätte es für mich nicht laufen können. Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Das ist wohl der Lohn dafür.“

Bilal Rammo ist sichtlich gewillt, die zweite Chance zu nutzen, die ihm das Leben beschert hat. Für Schlagzeilen wolle er in Zukunft einzig auf dem Sportplatz sorgen, schließlich war auch der Fußball in seiner schwersten Zeit für ihn da.

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