Vielen Verantwortlichen hat Franz Beckenbauer mit seiner Kritik an Bundestrainer Jürgen Klinsmann offenbar aus dem Herzen gesprochen. "Grundsätzlich hat Franz in allen Punkten Recht. Klinsmann muss da sein. Das Motto der WM heißt: "Zu Gast bei Freunden", also muss auch der Gastgeber da sein", sagte Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. Wenig Verständnis zeigten auch zahlreiche Trainer von WM-Teilnehmern.
Beckenbauer hatte Klinsmann am Montag scharf angegriffen und vor allem dessen Fernbleiben vom Teamworkshop der 32 WM-Teilnehmer in Düsseldorf kritisiert. Zudem hatte der Chef des deutschen WM-OK dem Bundestrainer vorgeworfen, dass er kurz vor der WM zu viel Zeit in seiner Wahlheimat USA als in Deutschland verbringe.
Fehler der Trainerfindungs-Kommission
Rummenigge merkte dazu an: "Das Problem ist aber, dass man Klinsmann vertraglich gestattet hat, weiter in den USA wohnen zu dürfen. Da hat die Trainerfindungs-Kommission den Kardinalfehler gemacht. Man darf auch nicht vergessen, dass Beckenbauer in dieser Kommission war. Wenn einer Trainer bei den Bayern werden will und er will zugleich weiter in Stuttgart wohnen, dann wird er eben kein Trainer bei den Bayern."
Der frühere Nationalspieler riet Klinsmann, in der Wohnortdebatte seine Position noch einmal zu überdenken. "Es gilt derzeit, mehrere Großbaustellen zu schließen. Eine ist die Wohnortdebatte. Klinsmann würde kein Zacken aus der Krone fallen, wenn er die letzten zwei, drei Monate vor der WM nach Deutschland ziehen würde. Aber es bringt nichts, ihn jetzt unter Druck zu setzen. Wir kennen ihn, er hat zwei Jahre bei uns gespielt. Er hat seine eigenen Ideen und Gedanken und würde dann zumachen."
Netzer: "Sehr ungeschickt von Klinsmann"
Auch der ehemalige Nationalspieler und heutige TV-Experte Günter Netzer gab Beckenbauer in einem Gespräch mit einem Internetportal Rückendeckung, vor allem vor dem Hintergrund der 1:4-Niederlage der DFB-Auswahl am vergangenen Mittwoch in Italien: "Es ist sehr ungeschickt von Klinsmann, dass er nicht flexibel reagiert. Auf ein solches Ergebnis muss man anders reagieren, als wenn die Welt in Ordnung ist. Was er sich da geleistet hat mit der Veranstaltung, zu der alle Trainer aus der Welt kommen, ist unerklärlich und unentschuldbar. Da hat Beckenbauer schon Recht."
Lippi nimmt's mit Humor
Klinsmanns beim Workshop anwesender Trainerkollege Marcello Lippi aus Italien kommentierte das Fehlen des "Gastgebers" mit Humor: "Jürgen hat es gut. Er ist in der Sonne, und ich muss mir nach dem Workshop noch zwei Champions-League-Spiele in Turin und Mailand anschauen." Englands schwedischer Coach Sven-Göran Eriksson meinte dagegen: "Es geht um die WM, deshalb ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich hier bin."
Die Teilnahme an dem zweitägigen Treffen in Düsseldorf stand auch für Brasiliens Trainer Carlos Alberto Parreira außer Frage: "Ich bin eingeladen. Deshalb bin ich gerne hier, weil hier in drei Monaten die WM stattfindet." Und Portugals brasilianischer Coach Luiz Felipe Scolari, mit seinem Heimatland 2002 in Asien Weltmeister, machte deutlich: "Es gibt hier wichtige Dinge zu besprechen. Deshalb will ich dabei sein, wenn etwas Wichtiges entschieden wird."