Zwei Tage vor dem Auftakt der deutschen Nationalmannschaft in das WM-Jahr am Mittwoch (21.00 Uhr/live in der ARD) in Florenz gegen Italien ist Jürgen Klinsmann vor allem als Psychologe gefragt, um seine Problemfälle wie Lukas Podolski, Robert Huth, Christoph Metzelder oder Bastian Schweinsteiger auf den ersten Höhepunkt des WM-Jahres einzuschwören. Zumal die Zielvorgabe des Bundestrainers vor dem Abflug am Dienstagmorgen nach Florenz klar ist: Die DFB-Auswahl soll im Duell der dreimaligen Weltmeister die seit fünfeinhalb Jahren andauernde Negativ-Serie gegen die Top-Nationen beenden.
"Ruhe wird wohl nie einkehren"
"Wir wollen endlich einen Großen schlagen. Das würde uns einen Schub geben", sagte Klinsmann, gibt sich aber keinerlei Illusionen hin, dass sich damit die ganze Aufregung der vergangenen Wochen legen würde: "Ruhe wird wohl nie einkehren, vor allem, wenn man als Gastgeber auf eine WM zusteuert. Es wird immer Brandherde geben. Aber damit haben wir kein Problem. Wir werden uns jetzt voll auf den Klassiker konzentrieren, alles andere ist sekundär. Wir wollen ein gutes Spiel machen und an die Partie in Frankreich anknüpfen."
Optimistisch wie Klinsmann nun einmal ist, wollte er deshalb auch die aktuellen Sorgen erst gar nicht überbewerten: "Sicher ist die Situation nicht einfach für uns, wenn Spieler in ihren Vereinen nicht so zum Zug kommen. Aber wir dürfen nicht rumjammern und müssen uns mit den Gegebenheiten abfinden."
Klinsmann hofft vielmehr auf eine Trotzreaktion. "Es war schon oft so, dass Spieler mit wenig Spielpraxis in der Nationalmannschaft groß aufgespielt haben." Darauf setzt auch Kapitän Michael Ballack: "Das ist für uns nicht neu. Aber bisher haben sich die Spieler immer gut geschlagen. Ich denke, dass wir das auch am Mittwoch lösen werden."
"Es geht nichts über Spielpraxis"
Allerdings weiß auch Ballack, "dass nichts über Spielpraxis geht. Da kannst du trainieren, trainieren, trainieren. Du brauchst Wettkampfpraxis, um ans Limit ranzukommen." Diese Praxis hatten in den vergangenen Wochen einige aus dem 20er-Kader gar nicht oder nicht ausreichend: Dazu gehören die beiden Münchner Schweinsteiger und Sebastian Deisler. Dazu gehören Huth, Patrick Owomoyela und Gerald Asamoah.
Ballack machte deshalb sogar öffentlich Druck auf seine Münchner Kollegen. Bei Schweinsteiger etwa habe er im Moment nicht das Gefühl, dass er auf dem richtigen Weg sei. Schweinsteiger oder auch Deisler müssten sich beim FC Bayern "festbeißen. Sie müssen versuchen, unverzichtbar zu werden".
"Verantwortung für Podolski ist in Köln zu groß"
Ganz andere Sorgen haben indes Arne Friedrich und Lukas Podolski, die zwar spielen, mit ihren Vereinen aber in einer schweren Phase stecken. Vor allem bei "Poldi" macht sich Klinsmann deshalb seine Gedanken: "Es ist gut, dass er hier ein paar Tage abschalten kann. Die Verantwortung in Köln ist für einen 20-Jährigen einfach zu groß. Das ist nicht einfach für ihn."
Neben vielen Einzelgesprächen stand am Sonntagabend auch eine Teamsitzung auf dem Programm, in der Klinsmann seine Nationalspieler über den Rauswurf von Christian Wörns informierte. "Wir haben das in Ruhe besprochen. Die Mannschaft hat das verstanden", meinte Klinsmann, der einer angeblichen Spaltung der Nationalmannschaft wegen Wörns vehement widersprach. Das würde "in keinster Weise" stimmen.
"Wörns´ Reaktion war zu hart"
Zumal auch der Kapitän durchaus Verständnis für Klinsmann äußerte. "Ich schätze Christian als Spieler und als Mensch. Ich kann auch seine Enttäuschung verstehen. Aber seine Reaktion war zu hart, so etwas kann der Trainer nicht akzeptieren." Klinsmann habe die Nichtberücksichtung von Wörns für das Italien-Spiel noch einmal damit begründet, so Ballack, dass er eben junge Spieler nominiert hätte, "die unseren Stil mehr prägen".
Um eine ganz andere Stilfrage ging es am Montag in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt/Main auch. Dort wurde nämlich das Ausgeh-Outfit der Nationalmannschaft für die WM präsentiert. "Wir wollen nicht nur auf, sondern auch außerhalb des Platzes eine gute Figur abgeben. Wir wollen den Spielern die Möglichkeit geben, ihre Persönlichkeit auch über die Mode auszudrücken", meinte Teammanager Oliver Bierhoff zu den dunklen Anzügen: "Man wird uns bei der WM wahrnehmen."
Als Erkennungszeichen der Anzüge der Firma Strenesse, die mit dem DFB einen Drei-Jahres-Vertrag bis 2009 abschloss, sind am Revers drei Sterne in schwarz, rot und gold zu erkennen. Sie stehen für die drei WM-Titel. Dazu Bierhoff: "Für den vierten Stern haben wir vorsorglich noch etwas Platz gelassen."