Die erste Zeit des Planens und der "Aufräumarbeiten" rund um die deutsche Nationalmannschaft sind heute Abend erstmal vorbei. Für den neuen Bundestrainer Jürgen Klinsmann steht die erste Nagelprobe an. Mit dem Länderspiel heute (20.45 Uhr/live in der ARD) in Wien gegen Österreich startete der Vizeweltmeister nicht nur das "Projekt WM 2006", sondern auch in eine neue Ära. Knapp zwei Monate nach dem peinlichen Vorrunden-Aus bei der Euro in Portugal erhofft sich Klinsmann mit einem Sieg die nötige Aufbruchsstimmung, um in zwei Jahren im eigenen Land Weltmeister zu werden.
Klinsmann will ein Zeichen setzen
"Das erste Spiel hat eine ganz wichtige Bedeutung und setzt auch immer ein Zeichen. Es müssen alle begreifen, dass die Herausforderung WM 2006 losgeht. Die Spieler müssen dieses Ziel Schritt für Schritt verinnerlichen. Je früher desto besser", sagte Klinsmann, der eine gewisse Anspannung nicht verhehlen wollte, am Dienstag in Wien. Deshalb sei es "wichtig, dass man positiv in so ein Projekt WM 2006 reingeht. Wir wünschen uns ein Stück Begeisterung und sind natürlich nach Österreich gekommen, um zu gewinnen."
Um seine hohen Ziele zu verwirklichen, erwartet der 40-Jährige von seiner Mannschaft um den neuen Kapitän Michael Ballack im Ernst-Happel-Stadion in Wien "einen ganz hohen Aggressivitätslevel". Die Spieler müssten im Gegensatz zur Vergangenheit "das Spiel ohne Ball forcieren und aggressiv nach vorne spielen", machte Klinsmann seinen Stars gleich einmal deutlich: "Wir müssen uns gegenseitig unterstützen, das muss ineinander fließen. Wir wollen Österreich unser Spiel aufdrängen." Dies seien die "ein, zwei key-messages, die wir an die Mannschaft rausgeben wollen".
Keine Hinweise zur Aufstellung
Während sich die Spielweise ändern soll, hält Klinsmann an den Gewohnheiten seines Vorgängers Rudi Völler fest und will auch bei Länderspielen keine Fingerzeige zur möglichen Aufstellung geben. "Das werde ich auch in den kommenden zwei Jahren nicht machen, egal, gegen wen wir spielen", kündigte der DFB-Coach an.
Eins ist aber sicher: Oliver Kahn wird auch in Österreich im Tor der deutschen Nationalmannschaft stehen. Zwar wurde der 35-Jährige als Kapitän "degradiert" und durch Ballack ersetzt, zunächst aber bleibt er "meine klare Nummer eins", wie Klinsmann betonte. Was allerdings nicht als Freibrief für den Münchner Keeper zu werten ist. In den kommenden Länderspielen wird es im Tor wie angekündigt zu einer Rotation mit Jens Lehmann und Timo Hildebrand kommen.
"Die Mischung muss stimmen"
Vor Kahn wird der 34 Jahre alte Thomas Linke Chef einer Viererabwehrkette sein, in der der Bremer Frank Fahrenhorst wohl sein Debüt feiern wird. Am Dienstag verteidigte Klinsmann noch einmal seine Rückholaktion von Linke, der sich eigentlich schon im "DFB-Ruhestand" befand. "Er ist in einer Topverfassung. Es ist wichtig, dass man eine gewisse Erfahrung in der Mannschaft hat. Die Mischung muss stimmen. Auch wenn man junge Spieler testen will, kann es nicht sein, dass man nur junge Spieler reinschmeißt", sagte "Klinsi".
Neben Linke wurden nach den verletzungsbedingten Ausfällen von Jens Nowotny, Arne Friedrich und Miroslav Klose noch Neuling Robert Huth vom FC Chelsea und der Schalker Gerald Asamoah nachnominiert. Während für Huth und Asamoah die WM 2006 das große Ziel ist, machte Linke noch einmal deutlich, dass er nur für ein Spiel aushelfen will. "Natürlich wäre die Teilnahme an der WM im eigenen Land eine tolle Sache. Aber da bin ich fast 37, die WM kommt zu spät für mich. Wer weiß, ob ich da überhaupt noch Fußball spiele", erklärte der Abwehrspieler.
Ansteckender Optimismus
Während Linke die Premiere des neuen DFB-Trainerstabs entsprechend locker angeht, gestand Klinsmann "eine gewisse Nervosität" ein. "Die ist beim ersten Spiel immer da, egal, ob du Spieler oder Trainer bist. Aber als Spieler hat noch mehr Druck auf mir gelastet." Und ohnehin würde er, so Klinsmann weiter, "von meinem Grundoptimismus profitieren".
Innerhalb seiner ersten drei Arbeitstage mit der Nationalmannschaft hat es der neue Bundestrainer offenbar geschafft, diesen Optimismus an seine Spieler weiterzugeben. "Warum sollen wir 2006 nicht Weltmeister werden?", meinte forsch Jungstar Philipp Lahm, als er gefragt wurde, ob ihn die hohe Zielsetzung seines neuen Chefs nicht erschrecken würde. Und überhaupt: "Neuer Trainer, neues Trainerteam - es ist alles super."