Jürgen Klinsmann verzichtet bei seiner Premiere als Bundestrainer auf den großen personellen Umbruch. Der Schwabe nominierte insgesamt 17 EM-Teilnehmer für das Spiel gegen Österreich am kommenden Mittwoch (20.45 Uhr/live in der ARD), einziger Neuling im Aufgebot des Vize-Weltmeisters ist der Bremer Frank Fahrenhorst. Sebastian Deisler fehlt noch wie erwartet in Jürgen Klinsmanns Kader, gilt dennoch als feste Größe für das Unternehmen WM 2006. Insgesamt berief "Klinsi" 19 Spieler in sein Aufgebot.
Bremer Fahrenhorst vor DFB-Debüt
Wie erwartet gab der 108-malige Nationalspieler auch dem Drängen von Rekordmeister Bayern München nach und verzichtete nach Telefonaten mit Bayern-Manager Uli Hoeneß und Trainer Felix Magath auf den zuletzt überragenden Sebastian Deisler. Wir wollen ihn nicht in eine extreme Situation zwingen, die nicht nötig ist. Sein toller Auftritt in der Bundesliga freut uns alle, aber wichtig ist die Entwicklung in Richtung 2006. Es geht nicht um das Tagesgeschäft", begründete der neue Bundestrainer, der seine Mannschaft am Sonntagabend in Gravenbruch vor den Toren Frankfurts um sich versammelt, seine Entscheidung.
Von einem Machtkampf mit den Bayern will der 108-malige Nationalspieler nichts wissen. "Das gibt es bei mir nicht. Es geht um die Kommunikation. Ich sehe keine Problematik, mit den Trainern zu reden und deren Meinung einzuholen. Nur sie können den Leistungsstand beurteilen und grünes Licht geben." Deshalb sei auch der Münchner Andreas Görlitz nicht dabei. "Felix hat mir gesagt, er braucht noch ein bisschen Zeit." Dafür gehört erstmals der 26 Jahre alte Fahrenhorst von Werder Bremen dem Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft an, das von Kapitän Oliver Kahn und Michael Ballack angeführt wird.
Rückkehrer Borowski
Zweiter Akteur beim Vize-Weltmeister, der nicht bei der Euro in Portugal dabei war, ist Tim Borowski. Der Werder-Mittelfeldspieler hat jedoch bereits zwei Länderspiele absolviert. Der letzte Einsatz des 24-Jährigen, der am 21. August 2002 in Bulgarien (2:2) sein Debüt feierte, liegt jedoch knapp zwei Jahre zurück (10. Oktober 2002 beim 1:1 in Bosnien-Herzegowina). Insgesamt stehen fünf Spieler von Double-Gewinner Bremen im DFB-Kader. Neben Fahrenhorst und Borowski hat Klinsmann 17 Spieler des 23-köpfigen EM-Kaders berufen, der für das peinliche Vorrunden-Aus bei der Euro verantwortlich zeichnete. Auch den beiden Youngstern Lukas Podolski vom Zweitligisten 1. FC Köln und Bastian Schweinsteiger von Bayern München hat der 40-Jährige sein Vertrauen ausgesprochen. Dabei ist "Schweini" derzeit in München nur im Regionalliga-Team im Einsatz.
Verzichtet hat der neue Bundestrainer auf Sebastian Kehl, Christian Ziege, Fredi Bobic, Dietmar Hamann sowie den verletzten Christian Wörns. Zudem hatte der Münchner Jens Jeremies als einziger Nationalspieler nach der EM seinen Rücktritt erklärt. "Die gehören nach wie vor dazu. Ich habe zum Beispiel mit Fredi Bobic und Dietmar Hamann telefoniert und ihnen gesagt, dass bei uns der Wunsch da ist, junge Spieler ins kalte Wasser zu werfen. Wenn sie Superleistungen im Klub bringen, werden sie wieder dabei sein", sagte Klinsmann.
Rotationsprinzip soll eingeführt werden
Mit 19 Spielern hielten Klinsmann und sein Assistent Joachim Löw den Kader bewusst klein, "um intensiver mit den Spielern arbeiten zu können". Künftig werden bei einem Länderspiel auch nur zwei Keeper dabei sein, in Wien sind es in Kahn, Jens Lehmann und Timo Hildebrand noch drei. "Wir wollen spüren, wie die Chemie untereinander ist", erklärte der Bundestrainer und fügte an: "Wir wollen ein kleines Rotationsprinzip einführen." Konfliktpotenzial mit Kapitän Kahn sieht er dabei nicht: "Wenn wir das jetzt nicht probieren, wann dann. Ich denke, Olli wird damit kein Problem haben, weil er schon zu lange dabei ist." Mit dem Länderspiel in Österreich will Klinsmann "nach der Enttäuschung Euro wieder eine Aufbruchstimmung einläuten. Die Jungs sollen merken: Das Projekt 2006 geht jetzt los." Ohnehin habe er "nur die WM 2006 im Kopf".
Bereits drei Wochen nach der Partie in Österreich steht für Klinsmann und Co. der erste echte Prüfstein auf dem Programm. Am 8. September (20.45 Uhr/live im ZDF) steigt in Berlin die Revanche für das mit 0:2 verlorene WM-Finale von Yokohama gegen den fünfmaligen Weltmeister Brasilien. Am 9. Oktober spielt der Vize-Weltmeister in Teheran gegen den Iran, am 17. November kommt es in Leipzig zum Duell mit der von Winfried Schäfer betreuten Nationalmannschaft von Kamerun. Vom 13. bis 22. Dezember bildet dann eine Reise nach Asien mit Länderspielen gegen Japan (16.12.), Südkorea (19.) und Thailand (21.) den Abschluss des Jahres.