Michael Ballack hat nach den enttäuschenden Auftritten in den EM-Qualifikationsspielen Bilanz gezogen und gleichzeitig vor einer übertriebenen Erwartungshaltung in Deutschland gewarnt. "Diese EM ist fast wie eine WM, sogar schwieriger, weil das europäische Spitzenniveau ausgeglichen ist", sagte Deutschlands "Fußballer des Jahres" im kicker-Interview. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten hoffe er aber auf eine gute Euro für die deutsche Mannschaft, "aber es müssen alle an Bord sein".
Ballack fordert mehr Selbstkritik
Zudem forderte der 26-Jährige, der beim 1:1 in der EM-Qualifikation am 7. Juni in Glasgow gegen Schottland sein bislang einziges Länderspiel in diesem Jahr bestritten hat, von seinen Nationalmannschaftskollegen mehr Selbstkritik: "Die Spieler sollten sagen, was die Wahrheit ist." Ballack hatte nach dem Schotten-Spiel den "Ansatz fehlender Klasse" angeprangert. "Das ist meine Meinung", vertrat er auch mit einigem zeitlichen Abstand diese Auffassung.
Dass DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder ihn wegen dieser Kollegenschelte kritisiert und ihm angeraten hatte, sich selbst zu hinterfragen und den Anforderungen gerecht zu werden, hat Ballack offenbar gewurmt. "MV wusste nicht so recht, dass ich verletzt war und deshalb drei Tage nicht trainieren konnte. Das hat er anscheinend nicht mitbekommen", sagte der 33-malige Nationalspieler, der die Kritik des Verbandschefs mit gemischten Gefühlen aufgenommen hat: "Sie ist zwar in Ordnung, aber man macht sich schon seine Gedanken."
Ballack bewertet die mit dem 2:0-Zittersieg des Vizeweltmeisters auf den Färöern am vergangenen Mittwoch abgeschlossene Länderspielsaison als "Durchschnittsjahr". Der Münchner räumte ein, dass die DFB-Auswahl nach der erfolgreichen WM in Asien die Erwartungen nicht immer erfüllen konnte. Solche Probleme nach einer WM seien aber völlig normal.
Verantwortung muss geteilt werden
Für die Zukunft forderte Ballack noch einmal, dass sich mehrere Spieler die Verantwortung in der Nationalelf teilen: "Schon bei der EM 2004, erst recht 2006 bei der WM wird es einen Riesendruck für uns geben, der muss auf mehrere Schultern verteilt werden. Dass ist ein Hinweis, dass auch andere Verantwortung tragen müssen."
Ballack, auf der vergangenen Länderspielreise neben Torwart und Kapitän Oliver Kahn einziger echter Führungsspieler im deutschen Aufgebot, nannte auch Namen: "Wir haben noch wichtige Spieler, die derzeit verletzt sind. Didi Hamann brauchen wir, Christoph Metzelder muss reinwachsen, Bernd Schneider ist vom Fußballerischen ein guter Mann." Er selbst werde sich einer Führungsrolle nicht entziehen: "Ich mache das selbstverständlich; aber es kann nicht sein, dass sich nur ein oder zwei Spieler dieser Verantwortung stellen."