Während allerorts schon der Abgesang auf die klassischen Ausbildungsvereine des deutschen Frauenfußballs angestimmt wird, schickt sich die SGS Essen an, erneut den Klassenerhalt in der Bundesliga zu sichern.
Die derzeit sechstplatzierte Talentschmiede aus dem Ruhrgebiet könnte in der nächsten Saison ihr 20-jähriges Jubiläum im deutschen Fußball-Oberhaus feiern.
Erst kürzlich wurden mit Jacqueline Meißner und Beke Sterner zwei SGS-Leistungsträgerinnen in der Nähe der Geschäftsstelle von Borussia Dortmund gesichtet. Was zunächst wie ein Abwerbeversuch des ehrgeizigen BVB aussieht, hat aber einen ganz anderen Grund.
Aufklärung liefert die ZDF-Reportage "Die Suche nach dem Boom im Frauenfußball". Auf das Gelände des schwarz-gelben Nachbars hat nämlich der Ausstatter der SGS Essen eingeladen, um an seinem dortigen Standort die Essener Kollektion für die Saison 2022/23 zu besprechen - inklusive der Konfiguration eines Jubiläumstrikots.
Wir sind gegen Leipzig gut ins Spiel gekommen, waren in den ersten zehn Minuten das bessere Team. Dann ist die Partie plötzlich gekippt. Ich weiß bis heute immer noch nicht, wie uns da geschah
Markus Högner über das 1:6 gegen RB Leipzig
Dass den Essenerinnen auch in der 19. Saison in Folge der Ligaverbleib gelingt, danach hatte es zu Beginn der Spielzeit nicht unbedingt ausgesehen. Die offensive Grundausrichtung der Schönebeckerinnen brachte ihnen zunächst viele Niederlagen ein.
Trainer Markus Högner reagierte und stärkte den Defensivverbund, was dem Spiel seiner Mannschaft mehr Stabilität verlieh - und in einem echten Highlight endete. "Der 6:0-Derby-Sieg gegen den MSV Duisburg vor Weihnachten war extrem wichtig für uns, dadurch konnten wir mit viel Selbstvertrauen in die Winterpause gehen", erklärt Högner.
Auch mit dem Restrunden-Start seines Teams ist der Trainer zufrieden. Gegen die Abstiegskonkurrentinnen vom 1. FC Köln konnte sein Team einen überlegenen 4:0-Sieg einfahren, dem Ligaprimus VfL Wolfsburg bot man bis zur 70. Minute die Stirn (Endergebnis 0:3, Anm. d. Red.).
Der einzige Wermutstropfen in letzter Zeit, sagt Högner, sei die 1:6-Niederlage im DFB-Pokal gegen die Zweitliga-Spitzenreiterinnen von RB Leipzig gewesen. "Wir sind gegen Leipzig gut ins Spiel gekommen, waren in den ersten zehn Minuten das bessere Team. Dann ist die Partie plötzlich gekippt. Ich weiß bis heute immer noch nicht, wie uns da geschah", ist der Trainer ratlos.
Doch sein Team zeigte Comeback-Qualitäten, kämpfte sich am Ende der englischen Woche zu einem 1:1-Unentschieden gegen den SV Meppen und stellte seine gute Restrunden-Form am Sonntag durch einen 2:1-Sieg gegen den SC Freiburg erneut unter Beweis. "Die Mannschaft hat die Niederlage gegen Leipzig schnell abgeschüttelt, insbesondere die zweite Hälfte in Meppen war stark und der Sieg gegen Freiburg ist für uns natürlich immens wichtig", findet Högner lobende Worte.
Durch die jüngsten Punktegewinne konnten die Schönebeckerinnen auf den sechsten Tabellenplatz vorrücken, der Vorsprung auf die Abstiegsränge beträgt sieben Zähler.
Talentschmiede SGS Essen
Allein sechs amtierende Vize-Europameisterinnen haben die SGS-Schule durchlaufen: Marina Hegering, Sara Doorsoun, Lena Oberdorf, Linda Dallmann, Nicole Anyomi und Lea Schüller
"Insgesamt haben wir derzeit eine sehr ausgewogene Mischung im Team. Wir sind ja eigentlich ein Ausbildungsverein, mit der Priorität junge Spielerinnen zu entwickeln. Unsere erfahrenen Akteurinnen, wie Ramona Maier, die ja auch beide Tore gegen Freiburg gemacht hat, geben der Mannschaft dazu viel Halt", berichtet Högner.
Das zunehmende Engagement der Männer-Lizenzvereine treibt ihm dementsprechend keine Sorgenfalten auf die Stirn. In direkter Nachbarschaft investieren der FC Schalke 04 und Borussia Dortmund gerade stark in den Frauenfußball, der VfL Bochum spielt um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Aller Voraussicht nach wird mit RB Leipzig schon in der kommenden Saison ein weiterer finanzstarker Profi-Klub den Sprung in die Bundesliga schaffen - und die abgeschlagen am Tabellenende stehende Mannschaft des Frauen-Traditionsvereins Turbine Potsdam verdrängen.
"Wir gehen unseren eigenen Weg weiter und die Zuschauerzahlen geben uns Recht. Im Gegensatz zu den Teams, die von Männer-Bundesligisten querfinanziert werden, geben wir nur das aus, was wir auch einnehmen, und sind damit ein wirtschaftlich gesunder Klub. Würden die anderen Vereine selbstständig sein, würden sie jedes Jahr ein riesiges Minus machen. Das wird meiner Meinung nach viel zu selten gesehen", findet der Coach und freut sich darauf, wohl auch in der kommenden Saison mit seinem Team als Underdog das Fußball-Oberhaus aufzumischen.
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