Das Leben genießen - das musste die Rekordtorschützin der englischen Frauenfußball-Nationalmannschaft erst wieder lernen. Vor nicht all zu langer Zeit hätte ein schweres Alkoholproblem beinahe die Karriere und das Leben der 32-Jährigen zerstört.
"Ich habe jeden Tag getrunken bis zum Umfallen. Normalerweise Wodka - und normalerweise allein", verriet Smith der englischen Zeitung Independent und schockte mit dem mutigen Geständnis kurz vor der WM den Frauenfußball. Angefangen habe sie im College - mit fatalen Folgen. "Ich habe schwer getrunken, um alles zu vergessen. Aber ich wusste nicht, dass Alkohol depressiv macht. Und ich war schon depressiv genug wegen meiner Verletzung."
2004 hatte sich die Stürmerin einen Beinbruch zugezogen und trügerischen Trost im Alkohol gesucht. Doch mittlerweile habe sie den Absprung geschafft, betonte Smith. Auf die Frage, ob sie eine Alkoholikerin sei, wusste Smith jedoch keine Antwort: "Ich weiß es nicht, schwer zu sagen."
Sieg gegen Neuseeland ist Pflicht
Während der WM will die Frau mit der Nummer 10 über ihre dunkle Vergangenheit nicht sprechen, sondern sich nur aufs Sportliche konzentrieren. Und da gibt es eine Menge Arbeit, denn das als Mitfavorit gestartete Team aus England steht nach dem enttäuschenden 1:1 zum Auftakt gegen Mexiko im zweiten Gruppenspiel am Freitag (18.15 Uhr/ZDF) gegen Außenseiter Neuseeland schon unter Druck.
"Ganz klar: Wir müssen dieses Spiel gewinnen. Wir haben uns gut vorbereitet, jetzt müssen wir nur noch an unsere eigene Stärken glauben, dann holen wir hoffentlich die drei Punkte", sagte Smith dem SID. Die wären Gold wert, denn nur wenn der Vize-Europameister die Gruppe B gewinnt, würde er wohl ein Duell gegen Gastgeber und Top-Favorit Deutschland im Viertelfinale vermeiden.
Britischen Verdienstorden von Queen Elizabeth II.
Doch selbst wenn es zur Neuauflage des EM-Finals von 2009 kommen sollte, England wäre gerüstet. Innerhalb weniger Jahre - bis 1993 war den Frauen der Zutritt zu Fußballplätzen des englischen Verbandes FA verboten - hat sich das Team von Trainerin Hope Powell in der Weltspitze etabliert.
Einen großen Anteil daran hat Kelly Smith. Seit 16 Jahren trägt sie das Trikot der "Three Lions" und schoss in 106 Spielen 43 Treffer - so viele wie keine andere Fußballerin auf der Insel. Dafür bekam sie von der Queen Elizabeth II. sogar den britischen Verdienstorden verliehen. Ihre ehemalige Mitspielerin Faye White schwärmte über die "First Lady" des englischen Frauenfußballs: "Sie hat Magie in den Beinen."
Auch international ist die schnelle und dribbelstarke Stürmerin geachtet. Bei der WM 2007 in China wurde sie ins All-Star-Team gewählt, bei der Wahl zur Weltfußballerin 2009 auf Platz drei. Nachdem Smith den FC Arsenal zwischen 2005 und 2009 mit 102 Toren in 112 Spielen zu sagenhaften 14 Titeln geführt hatte, kickt sie inzwischen wieder in der nordamerikanischen Profiliga für die Boston Breakers.
"Ich habe eine Schwäche: Ich will jedes Spiel gewinnen und dabei auch Tore erzielen. Da bin ich sehr ehrgeizig", sagte Smith. Trotzdem gibt es Wichtigeres im Leben als Fußball, das hat Kelly Smith aus ihrer eigenen Geschichte gelernt.