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Dunkle Limousinen bei Hannes Scherer in Marl-Hamm
Hamis Eheringe und der schnellste Kreuzbandriss der Bundesliga

Marl-Hamm: Dunkle Limousinen bei Hannes Scherer
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In der Finkenstraße in Marl-Hamm ist es ruhig geworden. Leerstand im ehemaligen Ärztehaus. Nur in der obersten Etage brennt noch Licht. Und im Keller. Dort harrt Sportphysiotherapeut Hans-Joachim Scherer aus. Bis zum Herbst, dann wird auch er das inzwischen ungastlich wirkende Gebäude verlassen.

Wie war das 1982 mit Rüdiger Abramczik?

Abi war mein erster prominenter Spieler. Er stand eines Morgens in der Tür und sagte, er würde am Abend mit Borussia Dortmund im UEFA-Cup ein wichtiges Spiel gegen Glasgow Rangers bestreiten. Er hätte eine Verhärtung im Oberschenkel und gehört, ich bekäme die bis zum Anpfiff raus. Das war bei mir schon immer so. Spieler mit einer Verhärtung gehen bei mir auf den Platz. Wenn einer deswegen ausfällt, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Masseur ist schlecht oder der Trainer will den Spieler nicht aufstellen. Abends hat Abi dann das 1:0 für Dortmund erzielt. Das sprach sich herum und war mein Durchbruch. Obwohl sich vieles zunächst hinter der verschlossenen Tür abspielte.

Warum das?

Die Physiotherapeuten der Vereine hätten mich auf offener Straße standrechtlich erschossen. Was glauben sie, von wie vielen Vereinen die Spieler unter dem strengsten Siegel der Verschwiegenheit in ihren dunklen Limousinen hier vorbeigefahren wurden, weil die behandelnden Personen im Verein nicht mit den Verletzungen klar gekommen sind.

Irgendwann sind Sie dann aber offiziell für Schalke tätig geworden!

Nicht nur für Schalke, aber in erster Linie. Das war 1989. Da hat mich Peter Neururer in meiner Praxis besucht und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte auszuhelfen, wenn Spieler vereinsintern nicht behandelt werden können.

Ganz nah am Fußballgeschehen im Pott: Für Hannes Scherer gehört RevierSport in jede gut sortierte Praxis (RS-Foto: Bunse).

Sie wollten, oder?

Natürlich wollte ich. Neururer und ich kennen uns schon lange. Er kommt, wie ich, aus Marl und war schon mit mir zusammen bei der SpVg als Spieler aktiv. Später war ich dort sein Trainer.

Sie wurden zunehmend gefragter!

Das kann man so sagen. Wenn ich Revue passieren lasse, wer hier alles die Treppe herunter gekommen ist, das ist schon unglaublich.

Wer denn zum Beispiel?

Ich habe für den Nachwuchs von Borussia Dortmund gearbeitet, für Wattenscheid 09, den Wuppertaler SV und den MSV Duisburg. Ich bin mit Rot-Weiss Essen dreimal aufgestiegen. Auch der VfB Stuttgart und Hertha BSC haben mir Spieler geschickt. Ich hatte Profis aus Holland, Belgien, Tunesien und der Türkei. Einer der interessanteren war sicher Sun Hong Hwang, der mit Südkorea an vier Weltmeisterschaften teilnahm. In der Saison 1992/1993 spielte er für den WSV in der 2. Liga und war damals der Bundesligaspieler, der nach einem Kreuzbandriss wieder spielte. Er war nach viereinhalb Monaten wieder einsatzfähig. Bei der WM 1994 erzielte er beim 2:3 gegen Deutschland einen Treffer. Auch Jens Lehmann ist manchmal aus Mailand gekommen. Und Eishockeylegende Wayne Gretzky mit einer Verletzung am Schultereckgelenk.

Gab es bei so vielen Auftraggebern nie Komplikationen?

Für mich nicht, für die Vereine teilweise schon. Vor einem Spiel des MSV Duisburg gegen Schalke behandelte ich einmal Alfred Nijhuis nach einem Außenbandriss. Und Youri Mulder war wegen seines Knies in der Praxis. Youri hat eine Arthrose, da konntest du den Knorpel vom Kniegelenk abziehen. Der eine Spieler kam morgens zwischen 9 und 11 Uhr, der andere am Nachmittag. Beide konnten dann spielen und haben sich gegenseitig neutralisiert. Stevens war anschließend stinksauer auf mich, aber ich konnte doch dem Nijhus nicht sagen, er sei noch nicht fit, nur weil ich selbst Schalke-Fan war.

Welche Spieler sind Ihnen bis heute besonders im Gedächtnis geblieben?

Das ist an erster Stelle Olaf Thon. Neun Jahre Thöni können nicht lügen. Von ihm habe ich bestimmt 100 Dokumentationsbänder im Archiv. Im April 1994 war er erstmals bei mir. Da war er noch bei den Bayern. Olaf hatte immer schwere Verletzungen, weil er für seine Gegenspieler in seinen Bewegungen zu schnell war. Für ihn war das schlecht, für mich gut. Olaf war eine regelmäßige Herausforderung, menschlich wie medizinisch. Heute ist er einer meiner besten Freunde. Aber auch der Abschied von Hami ist mir sehr nahe gegangen. Als er 1999 wieder in die Türkei zurückgegangen ist, saß er bei mir in der Küche und weinte. Dann hat er meiner Frau und mir Eheringe mit der Gravur Anne und Baba geschenkt, das heißt auf deutsch Mama und Papa.

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