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Dunkle Limousinen bei Hannes Scherer in Marl-Hamm
Hamis Eheringe und der schnellste Kreuzbandriss der Bundesliga

Marl-Hamm: Dunkle Limousinen bei Hannes Scherer
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In der Finkenstraße in Marl-Hamm ist es ruhig geworden. Leerstand im ehemaligen Ärztehaus. Nur in der obersten Etage brennt noch Licht. Und im Keller. Dort harrt Sportphysiotherapeut Hans-Joachim Scherer aus. Bis zum Herbst, dann wird auch er das inzwischen ungastlich wirkende Gebäude verlassen.

Vor einem Vierteljahrhundert sah das noch anders aus. Als Rüdiger Abramczik am frühen Morgen eines UEFA-Cup-Spiels von Borussia Dortmund gegen die Glasgow Rangers unvermittelt in der Tür stand, sprach sich das im Marler Vorort wie ein Lauffeuer herum. Und für den türkischen Volkshelden Hami Mandirali, heute Trainer der U21-Nationalmannschaft seines Landes, musste einst sogar die Straße gesperrt werden. "Bis zur Moschee standen die Leute", erinnert sich Scherer, den sie alle nur Hannes nennen.

Sein Reha-Zentrum war mehr als 15 Jahre eine der ersten Adressen im Profisport. Stars wie die US-Eishockeylegende Wayne Gretzky gaben sich in Marl die Klinke in die Hand. Heute betreut der 62-Jährige die Kicker des VfB Hüls in der NRW-Liga. Ein Freundschaftsdienst, wie er sagt.

Hans-Joachim Scherer, wie wird man als ehemaliger Physiotherapeut des FC Schalke 04 Kneter beim VfB Hüls?

Mit VfB-Macher Horst Darmstädter verbindet mich seit meinem 17. Lebensjahr eine Männerfreundschaft. Deshalb war es klar zu helfen, als er mich vor einigen Jahren gebeten hatte, diesen Job zu übernehmen. Ich kann dort sicherlich nicht viel Geld verdienen. Aber das habe ich in Schalke auch nicht. Als Physiotherapeut verdienst du dein Geld mit Rezepten. Und da sind Amateurspieler berufsgenossenschaftlich genauso versichert wie Profis.

Angefangen haben Sie als Spieler, später waren Sie auch Trainer und Masseur bei der SpVg Marl. Vom Volksparkstadion nach San Siro und zurück zum Badeweiher, das ist eine turbulente Zeitreise, oder?

Das kann man wohl sagen. Auch wenn ich nie in Mailand war. Als Schalke 1997 im Guiseppe-Meazza-Stadion den UEFA-Cup holte, habe ich das Spiel zu Hause alleine mit einem Glas Rotwein in der Hand vor dem Fernseher geguckt. Nur meine Frau war mit in Italien. Aber wir sind nach ihrer Rückkehr anschließend zusammen essen gegangen.

Als Physio haben Sie die legendären Eurofighter jahrelang betreut. Und der Verein hat Sie nicht mit zum Endspiel genommen?

Ich wollte das nicht, das ließ meine Einstellung zur Arbeit nicht zu. Den Job auf dem Platz hat meist Gerard Kuipers gemacht. Meine Aufgabe war es, zu Hause mit den verletzten Spielern zu arbeiten. Ich habe auch bei den Heimspielen ganz selten vorne beim Trainer gesessen, sondern meine Arbeit in der Kabine erledigt. Es gibt kein einziges Mannschaftsfoto, auf dem ich abgebildet bin. Es gibt noch nicht einmal ein Bild von mir mit dem UEFA-Cup. Aber als ich 2007 auf der Zehnjahresfeier die ganze Truppe wiedergesehen habe, da merkte ich wieder, dass uns allen zusammen etwas ganz Großartiges gelungen war.

Sie waren ganz nah dran an dieser Mannschaft. Was war das Besondere an diesem Team?

Die ganze Truppe, einschließlich Trainerteam und Betreuer, waren unglaublich erfolgshungrig und ehrgeizig. Und hatte einen Zusammenhalt, wie ich ihn im Profifußball nie zuvor erlebt hatte.

Hannes Scherer mit einer handsignierten Luftaufnahme vom Parkstadion während des UEFA-Cup-Finale gegen Inter Mailand (RS-Foto: Bunse).

Welche persönlichen Erinnerungen verbinden Sie mit dem größten Erfolg in der Schalker Vereinsgeschichte?

Ich komme eines Morgens zur Arbeit, als vor meiner Praxis alles schwarz vor Menschen war. Huub Stevens hat mich besucht. Das hat er damals öfter gemacht und immer ohne Anmeldung. Es ging um Martin Max. Martin hatte einen Deltabandanriss mit der Gefahr, dass es bei zu hoher Belastung zu einem Riss kommen würde. Wir hatten ihn deshalb für zehn Wochen aus dem Training genommen. Nur mit diesem einen Ziel: Wir wollten ihn fürs Endspiel stabilisieren. Es war halb neun und Huub fragte mich, wann wir denn mal gedenken würden, mit der Behandlung anzufangen. Und wo Martin denn wäre. Der kam gerade um die Ecke. Dann fragte er mich, ob wir hier Urlaub machen würden. Dabei hatten wir in der Nacht zuvor bis 4.00 Uhr morgens an seiner Verletzung gearbeitet.

Und dann?

Huub sagte, das sei ihm egal. Er hätte am liebsten rund um die Uhr etwas getan. Wir sollten dann am Timmendorfer Strand ein Einzeltrainingslager absolvieren. Ich habe drei Zimmer gebucht, ein Behandlungszimmer, eins für mich und eins für Max. Das Ergebnis ist bekannt. Leider wollte Martin dann drei Tage nach dem Triumph später gegen meinen Rat unbedingt auch in der Bundesliga am letzten Spieltag gegen Freiburg spielen. Und dann war das Deltaband durch.

Und was haben Sie vor dem Fernseher gedacht, als Max in Mailand in der Verlängerung zum Elfmeter anlief und traf?

Ich bekomme allein bei der Frage danach immer noch Gänsehaut. Es war sicher schon ein wenig Stolz dabei, denn auf dieses Ziel hatten wir alle hingearbeitet. Aber es gibt viele Menschen, die am Gewinn des UEFA-Cups einen weit höheren Anteil besaßen als ich. Was ich genau gedacht habe, weiß ich auch gar nicht mehr. Irgendwie weigere ich mich auch, darüber nachzudenken. Denn die Antwort wäre sicher nostalgisch verklärt. Für mich war das nie so wichtig, im Mittelpunkt zu stehen.

Auf der nächsten Seite: Hannes Scherer über Abi, Hami und Thöni!

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