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VfL Resse: 08 feiert sein 100jähriges Bestehen
Kumpelelf in der Kreisliga

VfL Resse: 08 feiert sein 100jähriges Bestehen
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Schwarze Kesselasche und Kumpelelf, Feierschichten unter Tage und kohlenschwarz zum Training, Zechenkrise und schwarze Fahnen, vergangene Höhenflüge und jährliches Ringen in den Niederungen der Kreisligen – 100 Jahre VfL Resse 08 sind Fußballgeschichte des Ruhrgebiets par exellence.

Fast hätte dabei ein eifriger Polizist im ehemaligen Kirchspiel Resse dem jungen Verein „Germania 08“, von jungen Angestellten und Schülern der höheren Lehranstalt gegründet, frühzeitig den Garaus gemacht: Während eines Fußballspiels an einem Sonntagnachmittag konfiszierte der Amtmann kurzerhand den Ball. Als Grund für diese Maßnahme gab er die Störung des Nachmittagsgottesdienstes an, da die Resser Kirche nur 500 Meter von der Weide entfernt lag, auf der zu dieser Zeit die Spiele stattfanden. Erst eine Eingabe an das Kultusministerium in Berlin klärte diese Angelegenheit zugunsten des Clubs, der sich seit 1920 „Verein für Leibesübungen Resse 08“ nennt und heute auf stolze 100 Jahre Vereinsgeschichte zurückblicken kann.

Seit vielen Jahren in der sportlichen Bedeutungslosigkeit der Gelsenkirchener Kreisliga abgetaucht, klingt der Name Resse 08 nach mehr: nach Tradition und nach ruhmreichen, aber leider längst vergangenen Zeiten.

Der Aufschwung des Vereins aus der ländlich angehauchten Resser Mark zwischen Buer, Westerholt und Herten setzte in der Zeit der Zechenvereine unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Unterstützt von der Zeche Ewald klopfte die Elf mit Spielern wie Helmut Malinowski (danach Schalke 04), Günter Wlotzka (Westfalia Herne) und Helmut Büttel (SpVgg. Erkenschwick) nach dem Aufstieg in die zweitklassige Landesliga sogar am Tor zur Oberliga West.

Die Nähe zur Zeche ermöglichte es, junge Talente und gute Spieler mit Lebensmittel, Arbeit oder Wohnraum zu versorgen. Statt des erhofften Aufstiegs stürzten Passvergehen und Punktabzüge am grünen Tisch den Verein in eine tiefe Krise. Der Oberliga Aufstieg wurde verpasst, und der Vorstand scheute das finanzielle Wagnis, den Verein für die neu gegründete 2. Liga West zu melden. Der Aderlass war damit programmiert: Leistungsträger wanderten ab, um als „Vertragsspieler“ bei anderen Vereinen etwas Geld zu verdienen, der Vorstand trat komplett zurück und die Resser Elf wurde schnell bis in die Kreisliga durchgereicht.

Erst Ende der 1950er-Jahre kam es zum zweiten Höhenflug. Wieder war die Zeche Ewald, deren erster Betriebsführer auch Vereinsvorsitzender war, der Garant im Hintergrund. 1960 wurde die Verbandsliga, die höchste Amateurklasse, erreicht. „Zu der Zeit waren hier 4.000 bis 5.000 Zuschauer. Die ganze Ewaldstraße war schwarz vor Menschen, wenn wir spielten. Unser Platz war der größte in der ganzen Region. 120 Meter lang, 70 Meter breit. Wenn die von auswärts kamen, haben se immer alle ganz hochnäsig zu uns gesagt: ‚Was wollt ihr denn?’ Und wir immer nur: ‚Gut, Kollegen, wartet mal ab.’ Und nachher haben se nur nach Wasser gebettelt. Auf dem Platz sind alle in der zweiten Halbzeit verreckt“, erinnert sich der frühere Resser Libero Dieter Kramer.

Für die Fußballer gab es auf Ewald unter Tage ein Sportlerrevier, in dem ihnen gewisse Vorteile eingeräumt worden waren. Trainingsfrei oder Montagmorgens zwei Stunden später unter die Erde war gang und gäbe, sorgte aber bei den anderen Kumpels nicht für Neid, wie Verteidiger Udo Wiegand erzählt: „Ich war noch direkt vor Kohle. Manchmal kam ich noch ganz schwarz vor Kohlenstaub nach der Frühschicht zum Training. Ab in die Kabine, umgezogen und auffn Platz.

Und nach so Niederlagen haben die Kumpels schon mal gesacht: ‚Du kriegst heute zwei Meter mehr.’ Aber das war nur im Scherz. Wir Spieler waren also in dieser Hinsicht bevorteilt, und abends inna Kneipe musste man selten ein Bier selbst bezahlten. Die alten Rentner haben dann gesacht: ‚Komm, spar dir dein Geld. Trink ma ne Bier auf unsere Kosten, auch wenn du heute Scheiße gespielt hast’.“

Mit der einsetzenden Zechenkrise und dem Ausstieg der Bergwerksführung aus dem Verein ging es auch mit dem VfL schleichend bergab. „Der Aufschwung kam durch die Zeche Ewald, auf der mehr oder weniger alle Spieler beschäftigt waren, und als die Zeche kaputt ging, ging auch hier langsam alles in die Brüche. Die Mannschaft ist aus der höchsten Amateurklasse regelrecht durchgereicht worden“, so Kramer, der über 1.000 Spiele für seinen VfL in den Knochen hat.

Während von der Zeche im heutigen Resser Stadtbild nichts übrig geblieben ist, ist auch der Ruhm des VfL längst verflogen. Die einstmals hervorragenden Jugendarbeit, aus der Bundesligaprofis wie Manfred Bertz (Schalke 04), Jürgen Rynio (BVB, Hannover 96), Hans-Jürgen Wittkamp (Schalke 04, Gladbach), Jürgen Sobieray (Schalke 04) und jüngst Thomas Kläsener (früher Schalke 04, heute beim Zweitligisten FC Augsburg) herkamen, gingen die ehrenamtliche Kräfte verloren.

Die erste Mannschaft landete sogar zwischenzeitlich im tiefsten Tal der Tränen in der Kreisliga C, und man musste sich sogar vor der eigenen Haustür vom Lokalkonkurrenten und heutigen Bezirksligisten Viktoria Resse überflügeln lassen. Jahr für Jahr kämpft man gegen die Bedeutungslosigkeit an. Der Aufstieg in die Kreisliga A wurde in der letzten Saison nur denkbar knapp verpasst. „Das war eine riesige Enttäuschung“, gesteht Trainer Mark Lamberty, „wir waren in der Rückrunde ungeschlagen und vergeigten dann den Aufstieg am letzten Spieltag.“

In der Saison 2008/09 heißt es also erneut: Alles Richtung Kreisliga A. Aber in den Niederungen der Kreisliga hat ein Traditionsverein wie die 08er mit viel mehr Problemen zu kämpfen als nur mit dem jährlichen Auf- und Abstieg. „Es ist ein hartes Ringen, sich überhaupt zu behaupten“, gesteht der Geschäftsführer Dirk Klemm. Sponsoren sind rar gesät, die Ausgaben werden immer höher und sollte im kommenden Jahr die Bundesliga auch sonntags um 14 Uhr spielen, sieht Klemm die Chancen für die Amateurvereine gerade im Schatten der großen Arena vollends schwinden: „Wenn Schalke 04 sonntags nachmittags spielen würde, können wir den Laden dicht machen. Da kommen weder Zuschauer noch Spieler.“ Allein sechs Kicker der aktuellen Ersten haben eine Dauerkarte bei den „Knappen“.

„Und stell sie besser nicht vor die Wahl, ob sie Schalke gegen Bayern gucken wollen oder lieber selbst in der Kreisliga kicken“, winkt Klemm ab, fügt aber grinsend hinzu: „Für mich wäre das unwichtig, denn ich bin ja selbst bekennender Dortmunder im Feindesland.“

Momentan kann sich der Verein jedoch über mangelnden Zulauf nicht beschweren. Die Gründung einer dritten Mannschaft und die Ausweitung der eigenen Jugendarbeit scheiterten in den vergangenen Wochen an den mangelnden Platzkapazitäten. Zwar bietet die komfortable Sportanlage „Im Emscherbruch“ einen Rasen- und einen Aschenplatz, aber die müssen sich mit Viktoria Resse geteilt werden. „Ein dritter Platz würde der Vereinsentwicklung gut tun, aber da sind wir auf die Hilfe anderer angewiesen“, so Klemm. So ist es auch das Hauptziel der Jubiläumsfeierlichkeiten, den Verein noch stärker im Bewusstsein des Stadtteils zu verankern. Die große Tombola, sonst gerne ein Zugewinn für die Veranstalter, wird komplett zugunsten des Gelsenkirchener Hospiz-Vereins durchgeführt.

Dass es durchaus noch Luft nach oben gibt, hat der agile Geschäftsführer erst unlängst erfahren: Zur Jubiläumschronik suchte er per Zeitungsinserat Bilder und Fotos aus der Vereinsgeschichte und wurde mit „Fundstücken“ überhäuft: „Es ist erstaunlich, wie viele Resser mit dem VfL ihre eigene Geschichte verbinden. Wenn die alle zu den Spielen kämen, hätten wir statt den üblichen siebzig Zuschauern wieder tausend am Platz.“ Vielleicht kommt es ja irgendwann wieder so, schließlich hat man einst auch die „Ball-Krise“ mit dem Polizisten gemeistert.

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