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Klaus Steilmann zieht Bilanz
„Die Niederlage ist schon da“

Klaus Steilmann zieht Bilanz
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Auch ein paar Tage vor seinem 78. Geburtstag ist Klaus Steilmann noch mitten im Geschäftsleben. Er kann einfach nicht anders, wie der charismatische Unternehmer schmunzelnd eingesteht. Nur einige seiner verbindlichen Termine sind jetzt eher privater Natur: Mittwoch kickt er in der Traditionself der SG, Donnerstagabends lädt er zur Skatrunde. Die Zigaretten hat er dabei nicht aufgegeben, als Mann alter Schule raucht er Lux-Filter. Allein deswegen lohnt sich das Großraum-Büro.

Hat der Absturz der Senioren auch Folgen für die Jugendarbeit?

Natürlich! Wir haben jetzt drei A-Jugendliche, die man in einer Regionalliga-Mannschaft platzieren könnte. Diese jungen Fußballer haben verständlicherweise auch Ziele, die kaum bei einem Verbandsligisten befriedigt werden können. Also werden sie wohl den Verein verlassen. Andere Talente wechseln von vornherein woanders hin. Die Jugendarbeit war immer unsere Basis und unsere sportliche Überlebenschance. Aber jetzt ist sogar noch unsere A-Jugend aus der Bundesliga abgestiegen. Wir waren auf Augenhöhe mit Dortmund, Schalke und Bochum. Dieses Niveau droht verloren zu gehen. Das tut mir persönlich weh. Schließlich habe ich die Jugendarbeit mit erheblichen Beträgen gefördert, denn dafür war das Geld sonst nicht da.

Kann der Klub irgendwann an alte Erfolge anknüpfen?

Das wird sehr schwer werden. Die Großsponsoren werden einem Verbandsligisten keine großen Summen mehr zahlen und so führt das eine zum anderen. Aber jede Situation biete auch ihre Chancen. Man müsste halt alles von Anfang an neu organisieren, aber ich bitte um Verständnis, dass ich dafür nicht mehr in Frage komme. (Lacht) Irgendwann muss man ja auch ein bisschen ruhiger werden.

Ist das jetzige Desaster vielleicht eine Folge davon, dass Sie der übermächtige Patriarch waren und alles regelten?

Ich habe damals zu den Leuten im Verein gesagt: „Es ist ja schön, wenn ihr glaubt mit allen Problemen immer wieder zu mir kommen zu können, aber ihr müsst euch eigene Strukturen aufbauen und Sponsoren suchen.“ Aber es war eben bequem, wenn es Probleme gab, damit zum Steilmann zu gehen. Oftmals war es die einfache Lösung in einer akuten Situation, aber langfristig war dieses System für den Verein schlecht.

Welcher Prinzipien sind Sie Zeit Ihres Lebens treu geblieben?

Viele meiner Werte hat mir meine Mutter vermittelt. Selbst Verantwortung und Lasten zu übernehmen, nicht alles zu delegieren. Für mich war es ganz besonders wichtig, dass ich die Leute mitgenommen habe. Einmal am Tag bin ich morgens zwei Stunden durch den Laden gelaufen, management by walking around, und habe mit den Mitarbeitern an ihren Arbeitsplätzen gesprochen. Ich habe nur gehasst, wenn Fehler auf andere abgewälzt wurden. Wir sind auch ein Vorreiter für die Bedingungen des „Faire Trade“, also des fairen Handels, gewesen. Bei allen Betrieben, die im Ausland für uns produzierten, haben wir die Einhaltung der Menschenrechte in unsere Verhandlungen einbezogen.

Legendär ist auch ihre Männerfreundschaft mit Hannes Bongartz …

Als ich den Hannes 1971 als 19-Jährigen vom Bonner SC nach Wattenscheid geholt habe, stand er gar nicht auf unserer Rechnung. Wir wollten seinen Mannschaftskollegen Rudi Klimke verpflichten, und als die Bonner bei ETB Schwarz-Weiß Essen spielten, haben wir den beobachtet. Dann habe ich Hannes spielen sehen und den Klimke gefragt: „Hör mal, wer ist der kleine Blonde vorne?“ – „Das ist unser bester Spieler, der Hannes Bongartz“, antwortete Klimke und sagte: „Den müssen Sie mitnehmen!“ – „Also gut, kaufen wir den mit!“ Aber erst mussten die Eltern vom Hannes gefragt werden. Ich habe sie ganz höflich angesprochen: „Ich würde gerne ihren Sohn nach Wattenscheid holen.“ Da hat die Mutter nach einem kurzen Moment gesagt: „Herr Steilmann, wenn Sie mir persönlich versprechen, dass Sie sich um meinen Jungen kümmern, dürfen Sie ihn mitnehmen.“ Tja, so ist Hannes Bongartz zu uns gekommen, und die enge Verbindung ist immer geblieben.

Sind Sie jetzt eigentlich enttäuscht über den Bankrott Ihres „sportlichen“ Lebenswerks?

Ich habe ein gewisses Element an Skeptizismus in mir, aber das ist nicht so dominant, dass ich nicht immer wieder positiv in die Zukunft sehe. Auch bei 09 gibt es noch Positives. So sind die Damen in die 1. Bundesliga aufgestiegen und die Arbeit, die in dieser Abteilung geleistet wird, begeistert mich. Jetzt müssen wir sehen, dass sie die Klasse halten, sich etablieren und dann kann sich das weiter entwickeln. Das macht mir schon Freuden und halbe Sachen mache ich halt nicht gerne.

Fußballvereine selbst haben in der Wertschätzung der Menschen, die für sie einstmals tätig waren, allerdings kein so gutes Gedächtnis.

Nein, das ist klar. Da mache ich mir nichts vor. Verdienste gelten halt nicht ewig, auch wenn man ein Teil der Vereinsgeschichte ist. Trotzdem möchte ich nichts von der Zeit missen, die ich im Verein tätig war. Resignation hat in meinen Erinnerungen keinen Platz.

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