Gerade einmal zwei, drei, Schritte Anlauf nahm Julian Kania, mehr nicht. Der 23-Jährige hatte die Augen nur auf den Ball gerichtet, atmete tief durch. Als er mit zackigen schritten auf den Ball zustürmte, schaute er dann doch einmal kurz nach oben. Das reichte ihm dann auch schon, um den Torhüter zu verladen und den Ball aus Elfmetern passgenau im linken Eck zu versenken.
Bis vor dreieinhalb Jahren hätte das noch genau so im Großraum Augsburg passieren können. Beim TSV Dinkelscherben nämlich, wo Julian Kania in der Coronasaison 19/21 seine ersten Schritte im Herrenbereich ging. 15 Tore in 20 Spielen, keine schlechte Bilanz in der Kreisliga Augsburg. Aber diese Szene stammt nicht von damals. Sie ereignete sich am Abend des 3. Dezember 2024, im DFB-Pokal-Achtelfinale zwischen Drittligist Arminia Bielefeld und dem Bundesligisten SC Freiburg.
Innerhalb von dreieinhalb Jahren hat Kania den kometenhaften Aufstieg von der Kreisliga in die 3. Liga geschafft. Die Krönung erlebte er am Dienstagabend, als sein Name erstmals auf der ganz großen Fußballbühne DFB-Pokal fiel. Kania spielte vor einem Millionenpublikum gegen den favorisierten Erstligisten groß auf, hatte immer wieder gute Aktionen. Der Lohn: Arminia Bielefeld siegte mit 3:1 und steht im Viertelfinale.
Kanias Weg Deutschlands Profizirkus verlief ebenso schnell wie ungewöhnlich. Seine Jugendklubs heißen nicht FC Augsburg, SpVgg Unterhaching oder FC Ingolstadt, sondern TSG Thannhausen, FC Königsbrunn und TSV Dinkelscherben.
Nach seinem ersten Kreisliga-Jahr zog es Kania zur Saison 2021/22 zum TSV Schwaben Augsburg in die fünftklassige Bayernliga Süd. Ein ordentlicher Sprung, der Kania aber nicht viel auszumachen schien. Zwei Saisons, 58 Spiele, 36 Tore. Kania, der im Sommer 2023 immer noch kein Nachwuchsleistungszentrum von innen gesehen hatte, wechselte in die Regionalliga Bayern zum 1. FC Nürnberg II.
Schon da stellte sich immer wieder die Frage, wann denn einmal eine Grenze erreicht sein sollte. Die Antwort lag nicht in der Regionalliga. Kania schoss auch hier alles kurz und klein, wurde mit 24 Toren in 31 Spielen klar Torschützenkönig. Damit war im Sommer 2024 klar: Kania würde noch eine Liga höher wechseln.
Kania soll sich im Sommer mit Dresden einig gewesen sein
Nach Informationen dieser Redaktion waren zahlreiche Drittligisten an dem Stürmer dran. So etwa der SV Sandhausen, Hansa Rostock, 1. FC Saarbrücken, Arminia Bielefeld und Dynamo Dresden. Es gab einen regelrechten Zoff um die Dienste des damals 22-Jährigen.
"Wir sind davon ausgegangen, dass Julian Kania zu uns wechselt. Denn wir waren uns einig. Dass es jetzt doch nicht so kommt, darüber sind wir maximal enttäuscht", hatte Dynamo Dresdens Sportchef Thomas Brendel der "Bild" Anfang August gesagt. Zuvor soll er angeblich schon bei Hansa Rostock zum Medizincheck gewesen sein. Letztlich wechselte er zu Arminia Bielefeld. Aus dem Kreisliga-Torjäger ist in drei Jahren in Drittliga-Profi geworden.
Startschwierigkeiten in Bielefeld, jetzt bester Torjäger
Und bei den Arminen brauchte Kania dann tatsächlich mal etwas Anlaufzeit. Zu Beginn der Saison war er nur Joker, ehe er bei seinem ersten Startelfeinsatz gegen den SC Verl Ende September gleich wieder zeigte, was in ihm steckt. Er steuerte einen Treffer zum 2:1-Sieg bei.
Endgültig platzte der Knoten dann beim 4:1-Sieg gegen Hannover 96 II Ende Oktober. Kania erzielte einen Dreierpack. Sein Trainer Mitch Kniat schätzt nicht nur Kanias Abschlussqualitäten, sondern auch seinen Mehrwert für das Bielefelder Spiel, wie er danach deutlich machte. "Julian musste sich um zwei Sechser kümmern – das hat er super gemacht. Deswegen bewerte ich nicht nur die drei Tore, sondern vor allem auch das Verhalten gegen den Ball."
Mittlerweile steht Kania bei sechs Ligatoren und ist Bielefelds bester Schütze. Die Arminia ist Dritter und befindet sich mitten im Aufstiegsrennen. Und dann ist da ja noch der DFB-Pokal. Im Viertelfinale winkt ein Kracherlos. Meister Bayer Leverkusen und Vizechampion VfB Stuttgart sind im Topf. Die nächste Chance für Julian Kania, sich auf der ganz großen Bühne auszuzeichnen.