Zum ersten Mal seit dem 29. April 2022 nahm Christian Neidhart am Sonntagnachmittag an der Hafenstraße auf der Trainerbank Platz. Damals stand er als Coach von Rot-Weiss Essen beim Regionalliga-Spiel gegen den FC Wegberg-Beeck (3:1) an der Seitenlinie.
Fast ein Jahr später kehrte er mit dem Drittligisten SV Waldhof Mannheim an seine alte Wirkungsstätte zurück, wo er von 2020 bis Mai 2022 in 89 Partien einen überragenden Punkteschnitt von 2,29 holte.
Unter seiner Regie spielte RWE 2020/21 die bis dato beste Regionalliga-Saison der Vereinsgeschichte und erreichte 2021 sensationell das DFB-Pokal-Viertelfinale.
Im Mai 2022 wurde Neidhart dann – zwei Spieltage vor Saisonende – auf Platz zwei von seinen Aufgaben entbunden. Die Rückkehr an die Hafenstraße war für den Fußballlehrer eine erfolgreiche. Mit 3:0 siegte Mannheim souverän in Essen und feierte einen wichtigen Sieg im Kampf um den Relegationsplatz.
RevierSport hat mit Christian Neidhart (54) über das Spiel, seine Rückkehr, die RWE-Zeit und das Restprogramm im Aufstiegskampf gesprochen:
Im zweiten Jahr gab es den Böllerwurf, wofür ich nichts konnte, dazu die Causa Dennis Grote. Ich wollte klar, dass er bleibt, aber die sportliche Führung war anderer Meinung. Das musste ich dann ausbaden. Aber: Ich behalte die Zeit bei RWE in total positiver Erinnerung. Im Endeffekt kann ich sauber in den Spiegel schauen – und das ist wichtig.
Christian Neidhart.
Christian Neidhart, Glückwunsch zum Auswärtssieg in Essen. Wie würden Sie im Nachhinein die Partie analysieren?
Danke für die Glückwünsche. Für uns war es ein sehr wichtiger Sieg. Ich war mir im Vorfeld sicher, dass wir das Spiel gewinnen werden und habe es auch so vor der Mannschaft kommuniziert. RWE war in Phasen des Spiels überfordert und das haben wir gut ausgenutzt. Klar ist aber auch, dass der Gegner die vielen Ausfälle nicht kompensieren konnte. Da haben wichtige Leute gefehlt. Es war ein rundum gelungener Auswärtsauftritt und eine geschlossene Mannschaftsleistung. Wenn man in so einem Spiel bissig und hart verteidigt, dann ist es für einen Gegner schwer, fußballerisch auf diesem Platz klar zu kommen. Essen hat es mit langen Bällen probiert, aber das haben wir gut wegverteidigt.
Dass Sie im Mai 2022 entlassen wurden, war kontrovers und wurde von vielen Fans kritisiert. Spüren Sie nach dem Sieg über RWE Genugtuung?
Nein, Genugtuung gibt es für mich nicht. Ich habe den Ball bewusst flachgehalten. Wir hatten zusammen zwei richtig geile Jahre. Klar, gab es auch mal kritische Phasen, aber die gibt es selbst bei Bayern München. Ich glaube erfolgreicher kann man keine zwei Jahre spielen. Der Verein hat das Ziel erreicht und ich saß bei 98 Prozent der Spiele als Trainer auf der Bank. Man darf auch nicht vergessen, dass wir im ersten Jahr mit 90 Punkten knapp an einer überragenden Dortmunder Mannschaft gescheitert sind. Die Jungs spielen teilweise jetzt in der Bundesliga. Im zweiten Jahr gab es den Böllerwurf, wofür ich nichts konnte, dazu die Causa Dennis Grote. Ich wollte klar, dass er bleibt, aber die sportliche Führung war anderer Meinung. Das musste ich dann ausbaden. Aber: Ich behalte die Zeit bei RWE in total positiver Erinnerung. Im Endeffekt kann ich sauber in den Spiegel schauen – und das ist wichtig.
Vor dem Spiel wurden Sie vom Stadionsprecher als "Meistertrainer" vorgestellt und es gab Applaus vom gesamten Stadion. Wie sehr haben Sie sich über die Reaktion der RWE-Zuschauer gefreut?
Ehrlicherweise habe ich das gar nicht mitbekommen, weil ich zu der Zeit mit meiner Mannschaft in der Kabine war. Insgesamt wurde ich aber sehr herzlich aufgenommen und das habe ich natürlich wahrgenommen. Ich habe Autogramme geschrieben und viele Fotos mit RWE-Fans gemacht. Das hat mich wirklich sehr gefreut. Ich hatte zu den Zuschauern immer ein gutes Verhältnis.
Rot-Weiss Essen hat fünf Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Was wünschen Sie dem Verein für die Zukunft?
RWE hat die 3. Liga komplett unterschätzt. Dass der Aufstiegskader alleine nicht ausreicht, habe ich schon damals immer wieder betont. Mir wurde in der Zeit in Essen gesagt, dass man als Rot-Weiss Essen großbleiben muss. Genau so ist es auch. Auf Dauer darf man sich als RWE nicht mit dem Abstiegskampf zufriedengeben. Der Verein ist groß, die Stadt sowieso, dazu gibt es gute finanzielle und infrastrukturelle Möglichkeiten. Es steckt so viel Liebe in diesem Klub mit diesen tollen Fans. Rot-Weiss Essen soll alle Kräfte bündeln, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Ich drücke die Daumen – das ist ganz klar.
Durch den Sieg in Essen beträgt der Rückstand auf Platz vier, der zur Relegation berechtigen würde, nur noch zwei Punkte. Am kommenden Spieltag kommt es zum Spitzenduell bei Dynamo Dresden. Was für Erwartungen haben Sie an den Saisonendspurt?
Man muss ehrlich sagen, dass wir eigentlich nicht in die Top-3 reingehören. Andere Teams haben bessere Möglichkeiten. Trotzdem wollen wir das Maximum rausholen. Viel hängt jetzt vom Dresden-Spiel ab. Da müssen wir punkten. Danach haben wir ein einigermaßen machbares Restprogramm. Klar ist, dass wir jetzt fast alle Partien gewinnen müssen. Wir freuen uns auf das Highlight-Spiel in Dresden und haben dort die Chance, mit dem Gegner die Plätze zu tauschen. 30.000 Fans sollten Motivation genug sein. Wer da nicht heiß ist, dem kann ich auch nicht mehr helfen.