Turbulente 14 Monate jenseits der Alpen beim österreichischen Bundesligisten SK Sturm Graz hat der 23-Jährige hinter sich. Im Anschluss an die Aufstiegssaison 2011/2012 wechselte Focher von Borussia Dortmunds U23 zu den Grazern und ist nun wieder zurückgekehrt. In der Steiermark wollte er den Sprung in den Profibereich schaffen und unter dem dortigen Trainer Peter Hyballa gelang ihm dieser auch. Das lag nicht zuletzt daran, dass sich Hyballa und Focher noch aus BVB-Zeiten kannten. Der aktuell vereinslose Trainer hatte zwischen 2007 und 2010 bei der U19 der Borussia das Sagen und im Zuge dessen auch Focher unter seinen Fittichen – deshalb holte er den Torhüter in den Südosten Österreichs und schenkte ihm das nötige Vertrauen.
Dass seine positive Entwicklung im letzten Jahr nicht unerheblich mit Hyballa zusammenhängt, ist Focher klar. „Er setzte nicht auf Namen, sondern auf Leistung.“ Und auf diesem Gebiet haben junge Spieler, die sich erst noch einen Namen machen müssen, zumeist die Nase vorne. Ein wenig Anlaufzeit benötigte der fast zwei Meter große Keeper aus Hamm, doch dann setzte er sich durch und verdrängte keinen Geringeren als Österreichs Nationaltorhüter Christian Gratzei auf die Bank.
Vom Stammkeeper zum Bankwärmer – ohne Erklärung
Es sah nach dem Durchbruch aus, den sich Jungprofis immer herbeisehnen. Zwar nicht in der deutschen Bundesliga, doch auch wenn die oberste Spielklasse der Alpenrepublik hierzulande nicht ganz ernst genommen wird, als Amateurveranstaltung möchte Focher die „tipp3-Bundesliga“ nicht verstanden wissen. „Das ist vergleichbar mit der zweiten Liga in Deutschland. Und da geht es schon ziemlich heiß her.“ Die folgenden 22 Spiele bestritt er als Stammtorwart des SK Sturm und seine Fußballerkarriere war auf dem besten Weg – bis Peter Hyballa entlassen wurde und Markus Schopp übernahm.
Der Ur-Grazer und frühere Profi des Hamburger SV gab dem ‚Piefke‘, wie Deutsche in Österreich oft genannt werden, noch zwei Spiele Bewährungsprobe und pflanzte anschließend für die letzten vier Saisonspiele wieder Gratzei zwischen die Pfosten. „Es war der Klassiker“, erinnert sich Focher an diese bittere Phase. „Christian wurde einfach ins Tor gestellt und zwei Wochen später zum Kapitän ernannt. Dann weißt du natürlich, an welcher Stelle du stehst.“ Ein Blick in die Saisonbilanz legt aber zumindest eine mögliche Erklärung für den Austausch der Schlussmänner nahe: In Fochers 22 Einsätzen fing sich „Sturm“ 32 Gegentore und spielte nur dreimal zu Null.
Eine solche Statistik ist allerdings bekanntlich nur selten allein „Verdienst“ des Torhüters, sondern meistens mehr ein Zeichen mangelhafter Defensivarbeit des gesamten Teams – eine Annahme, die sich durch die vier letzten Spiele ohne Beteiligung Fochers bestätigte, in denen auch Gratzei den Kasten nicht sauber halten konnte. „Ich glaube auch nicht, dass ich dazu etwas konnte, jedenfalls kam dieses Argument nie vom Trainer.“ Es wäre aber vielleicht noch immer besser gewesen als das, was Schopp letztlich machte: Er sagte gar nichts, wie Focher bestätigt. „Das ist ja das traurige an der Sache. Es gab eigentlich nur wenig Kommunikation zwischen uns – das ist für einen Spieler sehr hart.“ Nach seiner Verbannung auf die Ersatzbank suchte der gebürtige Hammer dann auch gar nicht erst das Gespräch. „Der Trainer hat mir ja unmissverständlich klar gemacht, dass er nicht auf mich setzt. Da hatte ich dann auch keine Lust mehr, mit irgendwelchen 08/15-Phrasen abgespeist zu werden.“ Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, fand sich Focher nach der Sommerpause dann auch nur noch in der zweiten Mannschaft wieder.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Von dieser misslichen Lage, in der sich ihr früherer Schlussmann befand, bekamen die Verantwortlichen der Borussia schnell Wind – und das gerade noch rechtzeitig, bevor das Transferfenster schloss. „Ich bekam einen Anruf vom Torwarttrainer Matthias Kleinsteiber, in dem er sich erkundigte, ob ich nicht Lust hätte, nach Dortmund zurückzukehren.“ Dort nämlich kristallisierte sich gegen Ende August heraus, dass der eigentlich als Ersatztorhüter für die U23 eingeplante Hendrik Bonmann wegen Hüftproblemen für unabsehbare Zeit fehlen würde. Für Ingo Preuss, Teammanager des BVB II, war sofort klar, dass nun personell nachgelegt werden musste. „Für uns als Verein ging es in erster Linie darum, auf der sicheren Seite zu sein. Außerdem wissen wir, was wir in Johannes haben. Deswegen haben wir auch alle vier Torhüter (Roman Weidenfeller, Mitch Langerak, Zlatan Alomerovic und Focher, d. Red.) für die Champions League gemeldet.“
Aufstehen, weitermachen. Aus seinen Erfahrungen in Graz kann Johannes Focher vieles über den Profifußball lernen.
Die Frage ist trotzdem, worin Focher die Perspektive sieht, den Anreiz, zu Borussia Dortmund auf die Ersatzbank der zweiten Mannschaft zu wechseln. Bei der Beantwortung dieser Frage ist der Rückkehrer verblüffend ehrlich: „Wenn ich die Wahl habe, wo ich ein Jahr auf der Bank verbringen möchte, fällt mir die Entscheidung nicht schwer. In Dortmund fühle ich mich alleine schon wegen des familiären Umfeldes wohler.“ Dennoch habe er definitiv nicht bis 2014 unterschrieben, „um einfach nur der Trainingspartner zu sein. Ich werde natürlich Gas geben und dann muss man sehen, wozu es reicht. In Dortmund sind außerdem die Trainingsbedingungen natürlich nochmal von einer ganz anderen Qualität.“ Seine Devise: Einen Fuß vor den anderen setzen.
An der Betonung des in Dortmund für ihn positiven Umfelds lässt sich erahnen, dass Focher nach der Enttäuschung bei den Steirern zunächst wieder diesen Rückhalt aus dem Verein braucht, um zu alter Stärke zurückzufinden. Und wenn U23-Stammkeeper Alomerovic dann einmal gesperrt sein sollte oder sich verletzt, wird er seine Chance bekommen – auch wenn ihm dieser Weg nicht so recht wäre: „Ich will mich aus rein sportlichen Gründen durchsetzen.“ Schließlich wünsche er seinem Konkurrenten, mit dem er sich in der Aufstiegssaison 11/12 regelmäßig im Tor der Borussen abwechselte, nichts Schlechtes. „Wir kennen uns seit der U17 und haben ein gutes Verhältnis.“ Sie kämpften zwar um einen Platz, aber: „Ich kann alle beruhigen: Wir haben keine Kahn-Lehmann-Mentalität!“