Ivica Grlic weiß, wie es geht. Beim letzten Aufeinandertreffen des MSV Duisburg mit dem Hamburger SV schoss der heutige Sportdirektor des Fußball-Zweitligisten die Zebras gegen den HSV zum 1:0-Sieg. Das war im April 2008, der MSV stieg am Ende trotzdem aus der Bundesliga ab. Damals spielte der MSV in Hamburg, nun treten die Hanseaten am Freitag im Kampf um Zweitliga-Punkte in Duisburg an.
Die Partie zählt zu den Höhepunkten dieser Saison. Wie so oft in den vergangenen fünfeinhalb Jahrzehnten sind die Zebras der Außenseiter; der HSV, der aktuell die Tabelle anführt, trägt die Favoritenbürde. Doch die Geschichte zeigt, dass dies nicht zwangsläufig bedeutet, dass der MSV chancenlos ist.
Der kleine MSV und der große HSV – das ging schon bei der Gründung der Bundesliga 1963 munter los. HSV-Legende Uwe Seeler soll damals zum Saisonstart gefragt haben, wo dieses Meiderich denn genau liege. Die Zebras, die damals noch als Meidericher SV am Ball waren, gaben die Antwort auf ihre Weise.
Vor 40.000 Zuschauern im Wedaustadion schickten sie Seeler und Co. im November 1963 mit einer 0:4-Packung wieder nach Hause. Innerhalb von zwölf Minuten schoss die Mannschaft von Trainer Rudi Gutendorf den HSV in der zweiten Halbzeit ab. Und die Texter des Zebra-Twists hatten ihre Freude: „Wo Meiderich liegt, wo Meiderich siegt, ist überall bekannt.“ Der HSV beendete die erste Bundesliga-Saison auf Rang sechs, während Rudi Gutendorf den Meidericher SV zum überraschend zur Vizemeisterschaft führte.
Gutendorf als HSV-Coach
Bei einem anderen MSV-Duell mit dem HSV mit Legendenstatus war Trainer Gutendorf ebenfalls dabei – allerdings auf der anderen Seite. Als die Hamburger am ersten Spieltag der Saison 1977/78 nach Duisburg kamen, waren alle Augen auf einen 1,73 Meter kleinen Mann mit dunklen Locken gerichtet. Der HSV hatte einen Transfercoup gelandet, indem er Kevin Keegan vom FC Liverpool verpflichtete. 3,2 Millionen Mark ließ sich der damalige HSV-Manager Peter Krohn die Verpflichtung des Kapitäns der englischen Nationalmannschaft kosten.
Die Hamburger hofften auf eine Gala der „Mighty Mouse“ in Duisburg, doch die Zebras zogen dem Engländer die Ohren lang. Herbert Büssers traf zur 1:0-Halbzeitführung, Theo Bücker und Kurt Jara erhöhten nach der Pause auf 3:0. Zwar kamen die Gäste noch auf 2:3 heran, doch Rudi Seliger versaute mit einem Doppelschlag zum 5:2 in den letzten drei Minuten Keegan endgültig das Bundesliga-Debüt.
Kempe mit zwei Toren
Gute Erinnerungen verbindet auch Ex-MSV-Profi Thomas Kempe mit Keegan. Beim 3:0-Sieg über den HSV im September 1979 erzielte der seinerzeit 19-Jährige die ersten beiden Tore. „Ich kam damals vom TV Voerde aus der Bezirksliga. Das war eines meiner ersten Spiele für den MSV“, kann sich Kempe, heute 58 Jahre alt, noch gut an das Match erinnern. Die Tatsache, dass Kevin Keegan am Ball war, ließ ihn damals nach eigenem Bekunden unbeeindruckt: „Ich war ein junger Bursche. Da habe ich mir über große Namen keine Gedanken gemacht.“
Zum Rückrunden-Auftakt der Saison 1980/81 erlebte ein anderer Großer des Fußballs in Duisburg sein blau-weißes Wunder. Der HSV hatte im November Franz Beckenbauer, dessen Vertrag bei New York Cosmos ausgelaufen war, verpflichtet. Der Kaiser, der schon zu seiner Zeit bei Bayern München an der Wedau so manche bittere Niederlage einstecken musste, hatte auch an diesem kalten Januar-Abend des Jahres 1981 keine Freude an seinem Aufenthalt in Duisburg. Guido Szesni und Paul Steiner trafen zum 2:0-Sieg des MSV. Auch Thomas Kempe war damals mit von der Partie.
Kempe, dessen jüngster Sohn Fabrice derzeit in der U?14 des MSV Duisburg kickt, prognostiziert seinem Ex-Klub für Freitag ein schwieriges Spiel: „Der HSV ist stark, der MSV sah bei den letzten beiden Niederlagen nicht gut aus.“ Abschreiben will Kempe die Zebras aber nicht: „Im Fußball ist alles möglich.“
Kempe, der beim Heimspiel gegen den FC Erzgebirge Aue in der Duisburger Arena im Rahmenprogramm zu Gast war, verbindet mit dem HSV überwiegend gute Erinnerungen: „Hamburg hat mir meistens gelegen, auch während meiner Zeit beim VfB Stuttgart und beim VfL Bochum.“
Auch Thomas Kempe weiß, wie es geht.
Autor: Dirk Retzlaff