Die tausendstimmige Aufforderung der Fans zu einem heißen Tänzchen vor der Kurve lehnte Peter Neururer höflich ab. "Ich tanze nur noch Standard - auf irgendwelchen Festen mit meiner Frau", sagte der neue Trainer des VfL Bochum dem SID. Stattdessen winkte der als Heilsbringer gefeierte Coach überwältigt in Richtung der 26.072 Zuschauer. Auch ohne Tanzeinlage des 57-Jährigen war das 3:0 (2:0) gegen den FC St. Pauli eine bewegende Vorstellung. Zwölf Tage nach seinem Comeback an der Castroper Straße hat Neururer Verein, Fans und Spieler im Sturm erobert.
"Ich habe hier schon viele Spiele mitgemacht, aber das war die Krönung", sagte Neururer nach seiner Heimpremiere. Beim zweiten Teil der Mission Klassenerhalt in der 2. Fußball-Bundesliga kamen so viele Zuschauer wie seit dem 20. Dezember 2011 nicht mehr, als sich der FC Bayern im DFB-Pokal die Ehre gegeben hatte. Der VfL hatte zuvor mit der Kampagne "Wir bleiben drin" mächtig Werbung betrieben. "In dieser kurzen Zeit ist emotional eine ganze Menge entstanden beim VfL Bochum", sagte Neururer. "Das Heimspiel gegen Köln ist bereits ausverkauft."
Nach dem desaströsen 0:3 gegen Erzgebirge Aue vor drei Wochen war der VfL noch mausetot. Neururer hauchte dem Klub neues Leben ein und stapelt trotzdem tief: "Wir haben noch nichts erreicht. Wir haben uns eine Perspektive erarbeitet, die uns die Möglichkeit gibt, den Klassenerhalt aus eigener Kraft zu schaffen."
Gegen St. Pauli wirbelten Marc Rzatkowski und Yusuke Tasaka auf den Flügeln - Tasaka traf zum 3:0 (70.). Vorne sorgte Doppeltorschütze Zlatko Dedic (25., Foulelfmeter/37.) für Gefahr. Allerdings hatte die teilweise wacklige Abwehr Glück, dass St. Pauli seine Chancen nicht nutzte.
"Ich glaube, dass wir einen Zauberer auf der Bank haben", sagte Bochums Mittelfeldspieler Christoph Kramer, und Torhüter Andreas Luthe, der sein Team gegen St. Pauli immer wieder im Spiel gehalten hatte, fügte hinzu: "Ein Trainerwechsel mit jemandem wie Peter Neururer bringt extrem frischen Wind."
Die Tabellensituation hat sich jedenfalls deutlich entspannt, zumindest der Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz ist beruhigend. "Wichtig ist jetzt, die Köpfe oben zu behalten, hart zu trainieren und am Freitag gegen Sandhausen nachzulegen", sagte Luthe.
Stufe zwei auf dem Weg zum Klassenerhalt ist bewältigt, so richtig glauben können die Spieler die Trendwende beim VfL allerdings noch nicht. "Ich muss ehrlich sagen: Ich bin schon lange beim VfL, aber selbst ich habe die Wirkung von Peter Neururer wirklich unterschätzt. Was er für eine Außenwirkung hat, ist Wahnsinn", sagte Torwart Luthe. Der Gefeierte selbst gab sich zurückhaltend: "Ich bin im Moment bei einer unheimlich spannenden Entwicklung dabei. Ich löse hier gar nichts aus, ich werde emotional mitgetragen", sagte Neururer.