Ende Oktober haben Sie gesagt, man solle "die Situation nicht überdramatisieren" - damals stand der VfL nach zehn Spielen auf dem Relegationsplatz. Nach 21 Spielen hat sich die Situation nicht wesentlich gebessert. Wie dramatisch ist die Lage?
Die Bedeutung des Wortes sagt doch schon alles: Wenn man dramatisiert, dann übertreibt man. Damit dürfen wir nicht anfangen, sondern wir müssen die Situation realistisch einschätzen: Nach zehn Spielen kann man sagen, es ist genügend Zeit da, die Sache grade zu biegen. Ein Sieg am Sonntag wäre ein Big Point gewesen. Wir hätten uns nicht unerheblich von unten abstoßen können und das haben verpasst. Jetzt wird es von Spiel zu Spiel enger. Wir haben eine andere Situation als in der ersten Saisonhälfte.
Weile es dem VfL auch nicht gelingt, sich entscheidend von den Abstiegsplätzen abzusetzen - wie schwer ist ein Umbruch unter Abstiegsbedingungen?
Luthe: Der Umbruch fällt enorm schwer und es wäre einfacher, wenn wir schon eine gewisse Punktezahl auf dem Konto hätten. Was uns fehlt ist Konstanz. Nach guten Spielen weiter konstant zu punkten schaffen wir in dieser Saison leider noch nicht. Das hängt sicherlich auch mit dem Umbruch zusammen, und daran müssen wir arbeiten.
Seit der verpassten Relegation vor zwei Jahren gegen Borussia Mönchengladbach geht es beim VfL stetig bergab. Gibt es einen kausalen Zusammenhang?
Im ersten Jahr haben wir das gut gemacht und eine ganz ordentliche Saison gespielt. Als Absteiger geht man mit einem gewissen Bonus in eine Zweitligasaison: finanziell, vom Standing und im gesamten Umfeld. Wie lange hat die SpVgg Greuther Fürth gebraucht, um aufzusteigen? Das war enorm. Vielleicht kann man das jetzt mit uns vergleichen, denn das kann ein echt langer Weg sein. Im zweiten Zweitligajahr wurde der Abstieg verhindert, jetzt kämpft der VfL erneut um die Klasse.
Es folgte eine schwache Folgesaison und jetzt befinden wir uns in einem Negativtrend. Diese vielen negativen Ergebnisse müssen wir endlich abschütteln. Wir stecken in einem Prozess, der viel Arbeit erfordert und uns hoffentlich bald wieder ins gesunde Mittelfeld führt. Erst dann kann man wieder Schritt für Schritt den Weg nach oben suchen. Darüber müssen wir uns alle im Klaren sein. Einige Fans haben die Geduld nicht. Wenn man es mit böser Zunge sagen ausdrücken möchte, könnte man sagen: Der VfL spielt sein Stadion leer.
Man kann die Zahlen und Fakten nicht ignorieren. Aber ich glaube, unser Publikum ist offen dafür, positive Leistungen anzuerkennen. Es war bislang immer zu sehen, dass immer direkt mehr Leute ins Stadion kamen, wenn wir gut gespielt haben. Das ist unsere Chance. Wir haben die Fans noch nicht verloren. Wir haben es zum Beispiel mit guten Leistungen geschafft, gegen Bayern München im DFB-Pokal vor ausverkauftem Haus zu spielen. Solche Momente müssen wir einfach nutzen, um die Bochumer wieder an die Castroper Straße zu locken.
Nach Nokia und Opel - wie sehr ist der Fußballstandort Bochum gefährdet?
Ich hoffe, nicht zu sehr. Wir können ja alle unsere Situation gesund einschätzen: Es ist nichts verloren, aber sicherlich ist es eine schwere Aufgabe für uns. Es ist gefährlich, weil alles passieren kann. Aber wird sind uns dessen bewusst. Zwischen dem VfL und den ganzen wirtschaftlichen Standorten besteht kein Zusammenhang. Wir können durch Erfolge der ganzen Stadt wieder ein positives Gefühl geben. Ich glaube, dass das vielen Menschen in Bochum dann auch helfen wird.
Am Sonntag gab es eine Schweigeminute für den verstorbenen Ex-Präsidenten Werner Altegoer. Sein Ziel war es immer, sich als gallisches Dorf zwischen BVB und Schalke zu etablieren und eine Nische zu besetzen. Muss man festhalten, dass dieses Unterfangen kaum möglich ist?
Luthe: Im Rahmen des Möglichen wird beim VfL Bochum viel erreicht, aber der Verein muss zwischen den beiden großen Vereinen eine kleine, eigene Marke sein. Andernfalls wird es relativ schwer, hier im Ruhrgebiet zu bestehen. Es sind die richtigen Menschen im Verein, um den VfL langfristig als Marke zu etablieren. Maßgeblich sind aber wir Spieler daran beteiligt. Eine Marke schafft man mit positiven Nachrichten und die sind beim Fußballklub sportlicher Natur.
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