Schon bei der 1:2-Niederlage gegen Union Berlin zeigte sich das Team von Karsten Neitzel verbessert, mit dem 3:0 gegen Dresden, dem 4:0 gegen Paderborn und dem Pokal-Sieg über 1860 München (3:0) konnte das Team phasenweise sogar begeistern. Trotzdem überwinterten die Bochumer auf Platz 15 – mit nur vier Punkten Vorsprung vor den Relegationsplatz. Bevor es für den VfL am Freitag gegen den VfR Aalen weiter geht, sprach RS mit dem Coach.
Karsten Neitzel, groß ist die Anspannung zwei Tage bevor es wieder los geht? Ich verspüre eine positive Anspannung, denn ich denke, dass wir gut vorbereitet sind und deshalb bin ich auch optimistisch, dass wir nicht mit leeren Händen zurück kommen.
Über die gut vierwöchige Vorbereitung konnte man viel Gutes lesen. Wie aber erklären Sie sich die beiden Testspielniederlagen gegen die Ligakonkurrenten aus Köln und Paderborn? Zunächst einmal sind die beiden Pleiten eine Warnung. Allerdings muss man diese Spiele völlig unterschiedlich bewerten. In der Türkei gegen Köln wollte ich allen einsatzfähigen Spielern noch einmal die Möglichkeit geben, sich auf Zweitliganiveau eine Halbzeit lang zu präsentieren. Da habe ich auch in Kauf genommen, dass sich meine Eindrücke aus dem Training bestätigen, dass es Spieler gibt, die da überfordert waren. Gegen Paderborn war es dann ganz anders.
Inwieweit? Da habe ich auf die Spieler zurückgegriffen, die für die Partie in Aalen die besten Karten haben. Und wir haben auch schon so gespielt, wie ich mir das vorstelle. Der Außenstehende sieht allerdings nur, dass unterm Strich zwei Niederlagen stehen und das ist einfach richtig ärgerlich. Aber wer gegen Paderborn im Stadion war, der hat gesehen, dass wir sehr gut gegen den Ball gearbeitet haben. Eigentlich stimmte vieles – außer dem Ergebnis. Auf jeden Fall haben wir die Grundvoraussetzung geschaffen, dass jeder auf dem Platz genau weiß, was zu tun ist.
Wo sehen Sie die größten Fortschritte in den letzten Wochen? Ich erkenne, dass das, was wir uns im Training erarbeiten, sich mehr und mehr in den Spielen wiederfindet. Das taktische Verhalten hat sich sehr zum Positiven entwickelt. Die Spieler haben jetzt mehr ein Gefühl für die Situation und das Spiel, sie wissen, wann sie den Gegner tiefer aufnehmen müssen, wann sie im richtigen Moment aggressiv pressen und wie sie gut verschieben. Am meisten freut mich, dass sie das mittlerweile selbstständig tun, ohne dass man von außen große Kommandos geben muss.
Was funktioniert noch nicht? Bisher ist es uns noch nicht gelungen, die Konzentration über 90 Minuten hoch zu halten. Ein aktuelles Beispiel war die Partie gegen Paderborn. Wir machen 45 Minuten alles richtig und gehen trotzdem mit einem 0:1 in die Kabine. Weil wir uns durch einen individuellen Fehler selbst bestrafen. Danach muss man jedoch nicht den Kopf hängen lassen, sondern eine „Jetzt-erst-recht“-Trotzreaktion zeigen. Daran müssen wir arbeiten. In der zweiten Liga darf man sich solch ein Fehlverhalten nicht erlauben.
Große Variabilität
In welchen Mannschaftsteilen liegen die größten Stärken Ihres Teams? Ich denke, dass wir momentan in allen Mannschaftsteilen sehr ausgewogen besetzt sind. Natürlich haben wir in der Offensiv sowohl quantitativ und qualitativ die größten Optionen. Da wird es immer mal wieder je nach Leistungsstand, Gegner oder ob wir ein Heim- oder Auswärtsspiel bestreiten, Verschiebungen geben. Auch im Mittelfeld, wenn Yusuke Tasaka und Christoph Dabrowski wieder gesund sind, können wir ganz ordentlich reagieren. In der Defensive hat sich herauskristallisiert, dass die Viererkette mit Carsten Rothenbach, Marcel Maltritz, Lukas Sinkiewicz und Mounir Chaftar bzw. Michael Lumb quasi gesetzt ist.
Michael Esser spielte zuletzt drei Mal zu null, entschieden haben Sie sich aber für Andreas Luthe im Tor. Warum? Zunächst einmal war die Entscheidung diesmal nicht leicht und viel knapper als noch im Sommer. Aber Andreas Luthe ist Kapitän, hat seine Verletzungen völlig auskuriert und besitzt wie vor seiner Pause unser absolutes Vertrauen. Gott sei Dank hat Michael Esser seine Sache zuvor so super gemacht, dass wir uns auf der Torhüterposition überhaupt keine Gedanken machen müssen. Für Michael Esser ist es sicherlich eine sehr harte Entscheidung gewesen, da er uns vor Weihnachten echt weitergeholfen hat. Aber wichtig war für ihn erst einmal, dass es ihm gelungen ist, an die Fans aber auch an alle Verantwortlichen das Signal auszusenden, dass er da ist, wenn er gebraucht wird.
Alle greifen an
Was war das Positivste an der gesamten Vorbereitung? Das Team hat endlich ein Rhythmus-Gefühl entwickelt. Und ansonsten war es natürlich optimal, dass wir gegenüber der Vergangenheit stets in großen Gruppen trainieren konnten. In der Vorbereitung haben alle ihre Chancen gewittert und sind positiv an die Aufgaben herangegangen. Aber die Risse im Mannschaftsgefüge werden zwangsläufig kommen, wenn Spieler nicht in der Startformation oder im Kader sind und sich Enttäuschung breit macht. Dann wird sich wirklich zeigen, wie es um den Zusammenhalt steht.