Im Bochumer Kader gibt es mit Marcel Maltritz, Florian Brügmann, Sören Bertram, Carsten Rothenbach und Philipp Heerwagen gleich fünf Akteure, mit Hamburger Vergangenheit. Doch während „Malte“ und „Floh“ die Raute auf der Brust trugen, Sören Bertram sogar für beide Großstadtklubs kickte, hatten Rothenbach und Heerwagen stets den Totenkopf auf dem Trikot. Kein Wunder, dass das Duo dem Flutlichtspiel am Millerntor besonders entgegen fiebert.
Für Rothenbach waren die letzten Tage turbulent. Erst sein enttäuschender Kick gegen Cottbus – „Ich bin selbstkritisch genug, um zu wissen, wie schlecht ich da gespielt habe“ – dann ein „Erfolgserlebnis“. Am Mittwoch um 12.12 Uhr brachte seine Lebensgefährtin Camilla im Wittener Marienhospital Sohn Henry zur Welt: 52 Zentimeter groß und 3.800 Gramm schwer. Für den Abwehrspieler, der bei der Geburt zugegen war, ein Glücksmoment. „Ich bin sicher, er wird beidfüßig und irgendwann im Garten die Totenkopffahne hissen.“
Sechseinhalb Jahre war Hamburg Rothenbachs Lebensmittelpunkt Und der 32-Jährige kann sich durchaus vorstellen, nach Beendigung seiner Karriere dort zu leben. Doch am Montagabend möchte er dem FC St. Pauli deftig in die Suppe spucken. „Ein Siegtor für den VfL am Millerntor wäre schon etwas ganz Besonderes. Auch, wenn mich meine alten Kollegen wie Florian Bruns, Fabian Boll oder Daniel Schachten anschließend wohl erwürgen würden.“ Der Flachs blühte per SMS schon in den letzten Tagen. Rothenbach: „Was uns fehlt ist ein Befreiungsschlag. Warum nicht am Millerntor?“
Während Rothenbach sicher in der Startformation steht, war der Einsatz von Heerwagen lange ungewiss. Doch am Sonntagmittag stand fest: Da Andreas Luthe Knieprobleme hat, ist der Weg für den eigentlichen Ersatzkeeper in seiner alten Heimat frei. „Auch, wenn ich Andreas natürlich alles Gute wünsche, freue ich mich sehr, dass ich dabei bin. Denn ich bin brutal heiß auf das Spiel und fiebere der Partie gegen meine alten Kollegen entgegen.“
Gänsehaut am Millerntor
Eigentlich müsste der Torhüter gegen den FC St. Pauli grollen. Im Winter geholt, durfte er nicht in einem einzigen Pflichtspiel ran und schwärmt dennoch in den höchsten Tönen von seiner Zeit auf‘m Kiez. „St. Pauli war eine riesen Erfahrung. Auch wenn ich nicht gespielt habe, war es keine verlorene Zeit. Ich hatte sehr viel Spaß, habe im Verein aber auch außerhalb des Klubs viele Freundschaften geschlossen. Es war einfach eine geile Zeit.“ Besonders die Flutlichtspiele im auch am Montag ausverkauften Stadion am Millerntor haben es ihm angetan. „Das ist unbeschreiblich. Da bekommst du schon vorher in der Kabine eine Gänsehaut.“
Und auch, wenn Heerwagen sonst immer nur auf der Bank saß, dieses Mal wird er die Atmosphäre auf dem Platz erleben. Sein Dank geht diesbezüglich natürlich auch in Richtung Trainer Karsten Neitzel, von dem der Keeper überzeugt ist. „Ein alter Trainer von mir hat einmal gesagt: ‚Für die Spieler ist ein neuer Trainer wie für einen Ehemann eine neue Frau. Man muss sich neu aufstellen, umorientieren, um zueinander zu finden.‘“ Die ersten positiven Ansätze glaubt der Torwart schon erkannt zu haben. „Die Spiele in Havelse und gegen Cottbus waren ein kleines zartes Pflänzchen. Das muss jetzt gehegt und gepflegt werden und dafür ist der Trainer genau der richtige.“
Karriereende in Australien?
Heerwagens Zukunft beim VfL ist trotz der letzten Einsätze weiter ungewiss. Doch scheint es so, dass die insgesamt als unglücklich zu bewertende Zusammenarbeit im Sommer nächsten Jahres endet. Zum einen, weil Bochum auch im Unterbau auf der Torhüterposition, so ist zum Beispiel der U19-Keeper Felix Dornebusch auf Abruf bei der U19-Nationalmannschaft geladen, gut besetzt. Doch trotz der bevorstehenden Trennung im Sommer zeichnet den gebürtigen Bayer aus, dass er nicht nur in jeder Trainingseinheit an der 100 Prozentgrenze kratzt, sondern auch totale Loyalität gegenüber seinen Torwart-Kollegen, den Feldspielern und dem gesamten Klub beweist. So stellte er sich auch nach dem Debakel in Aue einer Gruppe von aufgebrachten Fans und diskutierte mit ihnen über die Nicht-Leistung am Vortag.
Dass Heerwagen auch nach seiner Bochumer Zeit noch zwischen den Pfosten stehen wird, dürfte garantiert sein. Der 29-Jährige ist nämlich privat ein leidenschaftlicher Weltenbummler, der sich nie scheuen würde, seine Torwartkarriere in Australien oder auf einem anderen Fleckchen der Welt fortzusetzen. Heerwagen: „Das ist aber noch Zukunftsmusik. Jetzt hoffe ich auf einen Einsatz am Millerntor.“