Am Samstag feiert RW Oberhausen sein 100-jähriges Bestehen. Eine Epoche, geprägt von Fusionen, Freude, Tränen und Skandalen. Peter Seiwert ist ein Mann, der die Jahre von 1902 bis 1973 bereits in zwei Chronik-Bänden schriftlich dokumentiert hat. Ein weiterer Teil, der die noch fehlenden Jahre aufarbeitet, soll folgen. Wer könnte also besser Auskunft geben über den Verein als er.
Peter Seiwert, kann man die 100 Jahre kurz zusammenfassen?
Als RWO hatte man immer das Problem, dass es sehr viele gute Vereine in der nahen Umgebung gab. Daher war kein Hinterland vorhanden, aus dem Zuschauer gewonnen werden konnten. Natürlich fehlte im Vergleich zu den anderen Clubs der Nachbarschaft auch oftmals der Erfolg, so blieb man die graue Maus seit den 50er oder 60er Jahren.
Was ist prägnant für die ersten RWO-Jahre?
Es gab Fusionen. 1923 mit dem Ballspielverein Styrum, 1933 hat man sich in Rot-Weiß Oberhausen umbenannt, da man schon seit drei oder vier Jahren in den Farben spielte.
Wie ist die Kriegszeit zu sehen?
Die hat die erfolgreiche Mannschaft etwas auseinander gerissen. Wir waren Gau-Ligist
Weil
Adolf Hitler 1933 eine Umbenennung vorgenommen hat. RWO war ab der zweiten Saison dabei. Wir waren zumeist sehr erfolgreich, dann kam die Kriegszeit dazwischen, vielleicht wäre in dieser Zeit mehr drin gewesen. Direkt nach dem Krieg war Oberhausen zum Glück einer der Vereine, der schnell wieder eine gute Elf auf die Beine stellen konnte. So konnten wir 1946 und 1947 mit einer bombenstarken Truppe die Niederrhein-Meisterschaft erringen.
Wie ging es weiter?
1947/48 gab es die erste Oberliga-Saison. Kurz danach, 1951, stieg RWO ab. Dann waren sie erstmal Weg vom Fenster, hatten aber Glück, eine sehr gute Jugend zu haben. Daraus sind Leute wie Karl-Heinz Feldkamp oder Friedhelm Kobluhn draus erwachsen. Die haben dann 1957 für den Wiederaufstieg gesorgt. Diese Elf ist weiter gewachsen und wurde verstärkt bis 1969 zum Bundesliga-Aufstieg. Einer der wichtigsten Leute war damals natürlich Peter Maaßen, der kurz nach dem Krieg Präsident wurde. Er hat viel Zeit und Geld in den Club gesteckt.
Waren die vier Bundesliga-Jahre auch die spektakulärsten Jahre für RWO?
Auf jeden Fall. Wenn man mit Fans, auch jüngeren, spricht, und nach den besten und schönsten Jahren fragt, denkt man nicht an eine Partie, die vor ein paar Jahren war. Es wird sofort die Bundesliga-Zeit genannt. Man informiert sich. Klar, ein 8:1 gegen den HSV spricht sich rum. Ich selber habe die Zeit nicht erlebt, ich war zwei Jahre, als die Phase begann.
Ein Ereignis war der Bundesliga-Skandal, RWO war auch beteiligt.
Kann man einfach zusammen fassen, Oberhausen hat mitten drin gesteckt, wie die meisten anderen Vereine auch. Richtig rein sprechen können sich nur zwei oder drei Clubs. Oberhausen wurde angeklagt wegen dreier Spiele, unter anderem in Offenbach, wo es eine 2:3-Niederlage gab. Dort wurde nicht bestätigt, ob RWO einen Bestechungs-Versuch vorgenommen hat. Ein weiteres Match war das 4:2 von Köln, wo auch nicht bewiesen werden konnte, dass wir bestochen haben. Erst 1975, drei Jahre später, hat der Keeper von Köln, Manfred Manglitz, zugegeben, 30.000 DM bekommen zu haben, dafür, dass RWO ihm ein paar Eier ins Netz legt. Für uns waren das zwei wichtige Punkte zum Klassenerhalt. Manglitz hat es aber auch nur daher zugegeben, weil es einen Handel mit dem DFB gab. Durch seine Aussage hat er die Spielberechtigung für den 1.FC Mülheim bekommen, da er vorher gesperrt war.
Wie kam die Idee überhaupt auf, die 100 Jahre des Vereins zu Papier zu bringen?
Ich bin Fan vom Verein, daher habe ich das auch nur gemacht. Ansonsten würde ich mir so eine riesige Arbeit nicht machen. Es war unheimlich viel zu recherchieren. Besonders für den ersten Band. Da musste ich mir alles beim westdeutschen Fußballverband anlesen, ich bin rumgefahren, habe Zeitungsarchive durchforstet, habe telefoniert. Da gingen tausende Stunden und Euros bei drauf. Auch jetzt wird mein Archiv durch Zeitungsartikel immer noch größer.
Wer waren über die 100 Jahre die wichtigsten Spieler für den Verein?
Auf jeden Fall die Jahrhundertelf, die auch von den Fans gewählt worden ist. Hier mussten die Spieler mindestens zwei bis drei Jahre für RWO gespielt und auch was erreicht haben.
Welche Personen sind sonst als sehr wichtig zu nennen?
Da gibt es in meinen Augen nur drei. Zuerst der Vereinsgründer Edmund Hendus, der sich 1904 überraschenderweise als Lehrer um so einen Verein bemüht hat, da Fußball zur Jahrhundert-Wende noch verpönt war, von den Schulen sogar verboten. Wenn sich dann ein Lehrer hinstellt und sagt, ich werde Vorstand von einem Fußball-Verein, ist das sehr bemerkenswert. Hendus hat 1926 auch dafür gesorgt, dass das Niederrhein-Stadion gebaut wurde. Zudem hat er 20 Jahre für den Club im Vorstand gearbeitet, bis in die 60er Jahre war er immer im Stadion präsent.
Wer ist der Zweite?
Peter Maaßen. Er wurde direkt nach dem Krieg Präsident, hat sich 25 Jahre um den Verein bemüht. Er hat mit seiner Autoteile-Firma Millionen in den Verein gesteckt. Dank ihm gab es dann diese vier Jahre Bundesliga.
Und zuletzt?
Hermann Schulz, der seit etwa 1980 sehr viel Geld investiert hat und seit Jahren auch im Vorstand aktiv ist. Ohne Hermann Schulz wäre seit 15 Jahren, seit dem Lizenzentzug 1988, die Bude dicht. Wir wären vielleicht noch Oberligist. Und dann auch nur, wenn wir einen etwas potenten Sponsor gefunden hätten.
Wie kann man die aktuelle Situation im Historien-Vergleich sehen?
Im Moment ist es eine sehr gefährliche Lage. Ich habe es fast kommen sehen. Vor der Spielzeit habe ich gesagt, lass uns sicherer Zwölfter werden. Alle redeten vom Aufstieg, dabei ist die Truppe nicht so stark. Vielen Spieler ist leider auch Oberhausen egal. In den 50er Jahren waren das alles Oberhausener Jungs. Die wohnten hier, die gingen abends in der Stadt in die Kneipe. Jeder sprach über die und mit denen. Wenn RWO heute absteigt, sind die Spieler weg und denen ist egal, was mit dem Verein passiert. Die Verwachsenheit mit der Stadt und dem Club gibt es leider nicht mehr.
Wann ist dieser Bruch entstanden?
Ich denke in den 70er und 80er Jahren. Die Bundesliga-Elf von RWO war teilweise zusammengekauft, teils bestand sie aus Oberhausener Jungs wie den Kobluhn-Brüdern.
Wann kommt der dritte Band?
Mal schauen. Der erste hieß: Der lange Weg in die Bundesliga. Der zweite: Bundesliga - Unsere besten Jahre. Der dritte sollte auch irgend etwas mit Bundesliga heißen. Leider sieht es momentan ja nicht so gut aus. Trotzdem kommt er auf jeden Fall. Ich wollte es bis zur Feier schaffen, ging aber leider nicht, da ich auch an der Ausstellung in der Sparkasse mitgearbeitet habe. Ich hoffe, sie kommt Ende 2005 raus, soll dann bis zur jetzigen Saison gehen.
Kurze Vorschau: Wie kann man die Jahre 1973 2004 zusammenfassen?
Rauf und runter. 1975 ging es in die Verbandsliga, 1979 wieder in die zweite Bundesliga. Danach gab es dort tolle Jahre bis 1988. Es folgte der erneute Absturz in die Verbandsliga. Zehn Jahre später 1998 waren wir endlich wieder in der zweiten Liga. Man kann fast sagen, alle zehn Jahre ist in Oberhausen etwas passiert. Sieht man auch an der Bundesliga-Zeit. Aufstieg 1969, den nächsten gab es 1979. Abstieg 1988, Aufstieg 1998. Bis zum Bundesliga-Aufstieg haben wir also rechnerisch noch drei Jahre.
Was hat an der Erstellung der Werke am meisten Spaß gemacht?
Besonders zwei Sachen. Ich bin von Beruf Mathematik-Lehrer, interessiere mich sehr für Statistiken. Besonders die Arbeit mit den Zahlen und Tabellen hat mir sehr viel Freude bereitet. Zum anderen: Man lernt sehr viel über die Geschichte. Wenn man in Büchern von 1914 oder in Zeitungen von 1912, da steht dann was vom Untergang der Titanic. Zwei Seiten vorher steht RWO hat gegen den und den gespielt. Die Zusammenhänge zu sehen, gegen wen man zum Bau oder Fall der Mauer gekickt hat, ist sehr spannend..