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Valdez im Interview
"War kurz davor, das Handtuch zu werfen"

BVB: Nelson Valdez im Interview

Zwei ganze Jahre versuchte BVB-Stürmer Nelson Valdez in Dortmund Fuß zu fassen - vergeblich. Doch bevor er das Handtuch warf, kam mit Jürgen Klopp die Rettung.

Der 42-Jährige schenkte dem früheren Bremer, der in seiner Heimat Paraguay den Status eines Volkshelden genießt, das Vertrauen, weil er haargenau in Klopps Anforderungsprofil passte. Und so bekannte der Ex-Mainzer vor einiger Zeit im ZDF Sportstudio: „Seitdem ich gesehen habe, wie Nelson mit Bremen in der Champions League gekämpft hat, obwohl er es ständig auf die Knochen bekam, wusste ich, dass dieser Junge von mir alles Vertrauen dieser Welt bekommt, wenn ich ihn mal trainieren darf.“

Valdez zahlte die Vorschusslorbeeren mit der besten Saison zurück, die er bislang in der Bundesliga absolvierte, und glänzte dabei vor allem als unermüdlicher Arbeiter im Klopp‘schen Pressing-System. Doch auch vor dem Tor verbesserte sich der WM-Teilnehmer von 2006 deutlich - und wurde dafür mit einem neuen Vertrag bis zum Jahr 2012 belohnt. RevierSport sprach mit dem Stürmer über seine Entwicklung unter Klopp, persönliche Fehler und das zwiegespaltene Verhältnis zu seiner Heimat Paraguay.

Nelson Valdez, die Wahrnehmung von Borussia Dortmund hat sich in den letzten Monaten stark verschoben. Man spricht wieder überwiegend positiv vom Klub – auch wenn es, wie am letzten Samstag in Hamburg, Rückschläge gibt. Was hat sich verändert, seit Jürgen Klopp beim BVB angefangen hat?

Vieles. Ich glaube, dass seine Handschrift mittlerweile sehr deutlich geworden ist. Wir sind selbstbewusster und hungriger als früher, und machen uns nicht mehr in die Hose, wenn es schwer wird. Natürlich hatten wir in der letzten Saison zu viele Unentschieden, aber in diesen Partien waren wir häufig stärker. Wir wollen unbedingt etwas erreichen. Und jeder Spieler ruft mittlerweile besser sein Potenzial ab.

Würden Sie sagen, dass Sie das beste Beispiel für das sind, was Klopp in Dortmund bewegt hat?

Das weiß ich nicht, das müssen andere beurteilen. (lacht) Können Sie denn konkret beschreiben, was sich für Sie persönlich geändert hat, seit Klopp da ist?

Es hat sich fast alles geändert. In meinen ersten zwei Jahren beim BVB war niemand zufrieden, ich am allerwenigsten. Seit Klopp hier arbeitet, habe ich wieder auf den richtigen Weg gefunden. Meine Art und Weise, wie ich spiele, kommt endlich rüber. Ich habe immer geackert, seitdem ich beim BVB war. Aber das fällt jetzt stärker auf und wird stärker honoriert, weil auch alle anderen zehn Spieler kämpfen. Das ist jetzt unsere Art zu spielen. Und das kommt mir sehr entgegen.

Nach zwei schweren Jahren beim BVB, in der die Fans Sie teilweise als Sündenbock ausgemacht hatten, sind Sie mittlerweile richtig angekommen. Erfüllt es Sie mit Genugtuung, wenn Sie heute von Sprechchören gefeiert werden? Natürlich macht mich das stolz, denn es gab eine Zeit, in der ich kurz davor war, das Handtuch zu werfen. Meine Familie ist deshalb auch sehr stolz auf mich, weil ich geblieben bin und gekämpft habe. Es war natürlich gut, dass mit Jürgen Klopp ein Trainer kam, der mich gefördert hat. Er hat mir sofort versichert, dass er mit mir plant. Das hat mir großes Selbstvertrauen gegeben, und ich denke, dass ich in der letzten Saison ein wenig Wiedergutmachung für die ersten Jahre betreiben konnte. Aber es liegt in dieser Beziehung in den nächsten drei Jahren immer noch viel Arbeit vor mir.

An vergebenen Chancen sind Sie früher häufig verzweifelt. Können Sie damit inzwischen besser umgehen?

Das war in der Vergangenheit sicher ein Problem – und ist es zum Teil heute auch noch. Aber ich versuche, solche Dinge während der Partie schnell abzuhaken, hinterher kann ich mich schließlich immer noch darüber ärgern. Übung macht auch hier den Meister. (lacht)

Stürmern wird oft vorgeworfen, sie seien egoistisch. Wenn es einen Vorwurf gibt, den Sie sich noch nicht anhören mussten, dann den, oder?

Das stimmt. Ich denke, das ist eine Familien- und Erziehungssache. Ich musste früh Verantwortung für meine Familie übernehmen und sorge heute natürlich noch mehr für sie. Ich habe früh gelernt, dass man nicht nur an sich selbst, sondern an sein gesamtes Umfeld denken muss. Und das übertrage ich auch auf mein Spiel. Da geht es nur um den Erfolg der ganzen Mannschaft. Als ich nach der HSV-Partie nach Hause gekommen bin, hat mich unser Kindermädchen gefragt, warum ich denn so traurig aus der Wäsche gucken würde, ich hätte doch schließlich ein Tor gemacht. Aber so bin ich nun mal. Es bringt mir nichts, wenn ich treffe und wir verlieren. Dann kann ich nicht in den Spiegel schauen.

Mit Klopp kam auch für Valdez die Wende (Foto: firo).

Egoisten müssen Ihnen demnach völlig gegen den Strich gehen.

Natürlich ärgert man sich darüber. Vor allem, wenn man so eine Mannschaft ist, wie es der BVB ist. Wenn ein Ronaldo bei Real Madrid einen Alleingang macht, weil er meint, er müsse sein Ding durchziehen, dann ist das vielleicht noch okay. Aber unsere Stärke ist die Geschlossenheit. Hier ist jeder für den anderen da, vom Busfahrer bis zum Stürmer. Das ist für mich Borussia Dortmund. Einen Tennisspieler, der nur auf sich achtet, können wir nicht gebrauchen.

Wie oft haben Sie sich denn mittlerweile verflucht, weil Sie damals die Zahl „15“ in den Mund genommen haben, als Sie zum BVB wechselten?

(lacht) Ich glaube so oft, dass ich nie wieder in meiner Karriere irgendeine Zahl nennen werde. Das war auch das erste, was ich Lucas Barrios gesagt habe, als er hier ankam. Aber er ist sowieso ein ruhiger Typ und ein sehr netter Kerl. Er hält sich aus der Öffentlichkeit heraus und macht sich so nicht noch mehr Druck. Das habe ich damals leider anders gemacht.

Seite 2: Valdez über Barrios, seine Geschwister und seine Heimat Paraguay

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