Sollten Schalkes (verbliebene) Verantwortliche meinen, mit dem Rauswurf von Andreas Müller wendet sich nun automatisch auch in der Fanbeziehung alles zum Guten, dann irren sie gewaltig. Brot und Spiele hieß es zwar bereits im alten Rom, aber damals konnten die Schergen des Kaisers noch zum Lachen gezwungen werden. Auf Schalke aber lacht schon lange kein Fan mehr. Und das nicht nur wegen der vielen Gruselkicks und der sportlichen Talfahrt.
Eine Mannschaft aus zu vielen in sich verliebten Selbstdarstellern und eine Fangemeinde, die sich von der Führungsriege nicht mehr ernst genommen fühlt, sind die wahren Auslöser der königsblauen Beziehungskrise. Die Spieler wissen nicht mehr, wie der Fan tickt. Da wird das ewige Gerede vom fannahen Verein schnell zur Makulatur.
So überfällig die Demission Müllers aus sportlicher Sicht war, so wenig ändert sie an der grundsätzlichen Situation. Denn das königsblaue Herz blutet weiter. Der Entfremdungsprozess zwischen Mannschaft und Fans hat bizarre Formen angenommen. Dass die Folkloristen auf den Rängen trotz eines Sieges - wie nach gegen den 1. FC Köln geschehen - in Teilen die Gefolgschaft verweigert, ist für die Gladiatoren schlicht nicht vorstellbar. Doch die da oben und die da unten leben längst in ihren eigenen Parallelwelten. Jetzt Werte wie Unterstützung und Zusammenhalt in die Arena zu werfen, mutet daher geradezu grotesk an.
Denn diejenigen in der Anhängerschaft, die mit diesen Attributen noch etwas anfangen können, hat man über Jahre verprellt. Und die Geister, die sie stattdessen riefen, werden sie nun nicht mehr los.
Und das nicht nur in Schalke. Denn Schalke ist überall. Die Vereine wollten den üppig zahlenden Kunden. Sie haben ihn. Ware gut, Daumen hoch. Ware schlecht, Daumen runter. Identifikation gleich Null. So einfach geht das demnächst. Höchste Zeit, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Daher sollte die Kritik und der Protest der königsblauen Supporter vom Verein auch als Hilferuf und Chance begriffen werden. Aber vielleicht will man genau das am Ende ja gar nicht!