Das Rekordspiel ist eigentlich gar kein Rekordspiel: Zwar leitet Markus Merk am Samstag offiziell seine 241. Bundesliga-Partie und hält damit die neue Bestmarke, doch das in der Vergangenheit immer stark emotionsgeladene Spitzenspiel zwischen dem sechsmaligen Titelträger Borussia Dortmund und Rekordmeister Bayern München (15.30 Uhr/live bei Premiere) ist im Grunde schon der 242. Einsatz des zurzeit wohl besten deutschen Schiedsrichters.
Im November 1989, 15 Monate nachdem Merk sein erstes Spiel in der Eliteklasse zwischen dem VfL Bochum und Bayer Uerdingen gepfiffen hatte, wurde dem Pfälzer eine Partie "geklaut". Die Begegnung zwischen dem Karlsruher SC und Borussia Mönchengladbach musste wiederholt werden, nachdem der Gladbacher Christian Hochstätter von einem Feuerzeug getroffen worden war. "Aber das Spiel zählt für mich, denn ich habe damals schließlich meine 72 Mark Spesen bekommen", erinnert sich der Unparteiische mit einem Augenzwinkern.
Schon bei seinem Debüt 1988 sorgte Merk mit ener souveränen Vorstellung für Aufsehen. Vom Fachblatt kicker wurde der mittlerweile 42-Jährige gleich zum "Mann des Tages" gekürt. Mit dieser Auszeichnung wurde der Zahnarzt in der Zwischenzeit schon mehrfach geehrt und seine damaligen Studienkollegen hatten offenbar schon bei seiner Bundesliga-Premiere eine Vorahnung von der sich abzeichnenden Laufbahn. "Merk merkt alles", hatten die Kommilitonen auf ein Transparent geschrieben und sollten damit im Hinblick auf die Schiedsrichter-Karriere ihres Freundes weitgehend Recht behalten.
So richtig daneben lag Merk nach eigener Einschätzung allerdings vor knapp sechs Jahren, als er den damaligen Stuttgarter Spielmacher Krassimir Balakow zu Unrecht des Feldes verwies. "Da habe ich völlig überreagiert. Ich bin mir aber sicher, dass mir das heute nicht mehr passieren würde. Ich bin selbstkritisch mit dieser Situation umgegangen und das Wichtigste ist, sich selbst immer weiter zu entwickeln", erklärt der viermalige Schiedsrichter des Jahres.
Die Erfahrung aus fast 16 Jahren Bundesliga ist es auch, die Merk der anstehenden Partie zwischen Dortmund und den Bayern gelassen entgegen sehen lässt. "Das ist immer ein spezielles Spiel, das hat die Vergangenheit gezeigt. Beide haben den Anspruch, ganz oben dabei zu sein und es geht dabei nicht nur um Vereine, sondern um Wirtschaftsunternehmen. Ich weiß aber, dass ich jedes Spiel pfeifen kann und deshalb freue ich mich darauf, denn ich übernehme gerne Verantwortung", sagt der Medziner.
Doch nur auf seine Erfahrung will sich Merk nicht verlassen. "Es wäre fatal, wenn ich irgendein Spiel nur mit Routine bestreiten wollte. Das wäre mit Sicherheit schon der erste Fehler vor dem Anpfiff", meint der Lauterer und beschreibt die Merkmale eines guten Spielleiters: "Der Schiedsrichter ist nicht in der Lage, eine Partie besser zu machen, aber er kann sie schlechter machen. Man muss also eine Strategie haben. Ich kann ein Spiel anlegen und nur einschreiten, wenn es notwendig ist. Aber natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu."
Ein allzu großes Maß an Glück hat Merk allerdings spätestens seit seiner großartigen Leistung beim Champions-League-Finale im vergangenen Jahr zwischen dem AC Mailand und Juventus Turin in Manchester nicht mehr nötig. Nach der Begegnung wurde der Hobby-Triathlet ("Zurzeit reizt mich der Ironman auf Hawaii") mit Lob überschüttet und genießt seither auch international großen Respekt.
Doch nicht nur auf dem Platz sind die Leistungen Merks, der bei der EM in Portugal (12. Juni bis 4. Juli) wieder mal die deutsche Schiedsrichter-Zunft vertreten wird, meist überragend, auch abseits der Stadien leistet er vorbildliche Arbeit. Mit seinen Schiedsrichter-Geldern unterstützt Merk eine Schule, Kindergärten und ein Altenheim in Südindien. Mindestens einmal im Jahr reist er nach Asien und überbrückt die Gegensätze zwischen arm und reich: "Ich übernehme gerne Verantwortung in diesen beiden gegensätzlichen Welten. Hier bei Fußballprofis, die Millionen verdienen, dort für Kinder, denen das Nötigste fehlt."