Fünf Kamerateams, zehn Fotografen und eben so viele schreibende Journalisten waren gekommen, um in die Kirche zu gehen. Der Grund: Rudi Assauer hatte sich angekündigt. Der Schalker Manager war gestern auf Bitte von S04-Pfarrer Hans-Joachim Dohm in die Evangelische Gnadenkirche in Schalke-Nord gekommen und hielt eine Predigt.
Gut 100 Gläubige lauschten dem prominenten Redner, der sich das Schicksal eines todkranken Jungen zum Thema für eine bewegende Ansprache genommen hatte. „Es gibt viele Dinge, die ich rückwirkend als wichtig betrachte. Ich habe als Manager des FC Schalke meine Hände nicht in den Schoß gelegt. Ich musste Entscheidungen treffen, die vielleicht Probleme bereiten, aber auch dann richtig waren, wenn sie mit dem Herzen getroffen wurden“, hob Assauer an und klärte ein altes Missverständnis auf: „Ich habe oft von einem Fußball-Gott gesprochen. Ich meine damit nicht einen Glauben, der allem gerecht wird. Gott sollte man nie als Erfüllungsgehilfen für die eigenen Wünsche sehen.“
Dann erinnerte der 59-Jährige an seinen Sturz von vor gut zwei Monaten, „der auch anders hätte ausgehen können. Gott als mein Schutzengel hat mich da vor einer schlimmeren Verletzung bewahrt. Wenn ich in den Spiegel sehe, erinnert mich eine Narbe auf der Stirn immer daran!“
Weil er in seiner Funktion als mächtigster Mann auf Schalke immer wieder auf Hilfe angesprochen wurde und wird, erfuhr Assauer 1997 vom Schicksal eines krebskranken Jungen. „Es war das Jahr, als wir sensationell UEFA-Cup-Sieger wurden. Die Vereinigung ‚Herzensmenschen’ hat mich damals angeschrieben mit dem Wunsch, ob der kleine Christian nicht bei uns zu Gast sein dürfe. Der Junge hatte Knochenkrebs, saß schon im Rollstuhl und hatte ein Bein verloren und den Tod vor Augen. Da haben wir ihn mit ins Trainingslager genommen. Der Junge hat mit am Tisch gesessen und sich uns unterhalten. Die Spieler haben wir vorher gefragt, ob das für sie in Ordnung wäre. Schließlich haben sie zum Teil selbst Kinder, so etwas bewegt die ja in der nacht vor dem Spiel. Christian hat bis nachts um zwölf durch gehalten und etwas Ungewöhnliches zu mir gesagt. Ich weiß es noch genau, es waren , es waren der 21. und 22. März 1997. Er sagte: Ich werde es erleben, dass Schalke 04 im Endspiel in Mailand gewinnen wird. Die Ärzte hatten eigentlich gesagt, er hätte nur noch drei Wochen zu leben, aber er hat es geschafft. Erst nach dem Endspiel ist er eingeschlafen“, endete Assauer und betonte: „Da sieht man, was man mit Willenskraft schaffen kann. Davor habe ich Respekt!“
Nachgefragt Rudi Assauer, wie schwer ist Ihnen der Gang auf die Kanzel gefallen? Sehr schwer. Das war schon eine ungewöhnliche Angelegenheit, in einer Kirche eine Rede zu halten.
Was war Ihre Motivation, eine Predigt zu halten? Pfarrer Dohm, mit dem ich seit über zehn Jahren befreundet bin, hat mich gefragt, ob ich das tun würde. Das war für mich keine Frage, ich habe es gerne gemacht.
Wie stark ist Ihr Glaube? Was heißt schon starker Glaube? Ich glaube, dass es da oben jemanden gibt, der auf alles ein Auge wirft.
Wie entstand die Predigt? Auch wenn mir nicht viele zutrauen, etwas Grips in der Birne zu haben: Die Predigt habe ich mir am späten Nachmittag ausgedacht. Das war nicht von langer Hand geplant. Mir ist das Schicksal des kleinen Christian durch den Kopf gegangen, und darüber wollte ich reden.
Wann reden Sie über den neuen Trainer? Bevor der nicht da ist, werde ich kein Wort mehr über das Thema verlieren. Es wurden in den letzten Tagen und Wochen so viele Unwahrheiten verbreitet, das Nest Schalke 04 ist dabei mit Schmutz beworfen worden. Dagegen wehre ich mich, man kann mich kritisieren, aber nicht den gesamten Verein in den Dreck ziehen. Wenn irgend ein Trainer etwas erzählt, dann wird dem alles sofort geglaubt. Wenn ich sage, die Farbe ist rot, dann glaubt mir das keiner. Das ist unfair, und das mache ich nicht mehr mit. Es wird der Tag kommen, an dem abgerechnet wird.