Es sind schreckliche Bilder, die man bei einem Bundesligaspiel nicht sehen möchte: Zwei Spieler rasseln beim Hochspringen mit den Köpfen zusammen, ziehen sich Platzwunden zu, bleiben häufig sogar von Schmerzen benommen am Boden liegen.
Das Thema schwere Kopfverletzungen hat im Profifußball immer mehr Einzug gehalten. Borussia Mönchengladbachs Christoph Kramer kann erst recht seit dem WM-Triumph im Finale 2014 in Rio aus eigenen Erfahrungen davon berichten, was eine Gehirnerschütterung bedeutet. Nun denken die Regelhüter im Weltfußball offenbar darüber nach, endlich mehr Rücksicht auf solche Verletzungen zu nehmen.
Im Gespräch seien zum Beispiel auch temporäre Auswechslungen von Spielern, wenn diese nach einem Zusammenstoß benommen wirken und am besten sofort auf Schädigungen des Kopfes untersucht werden müssen. Das bestätigte Lukas Brud, Sprecher des International Football Association Board (Ifab), der Sport-Bild: „Wir nehmen das Thema Kopfverletzungen sehr ernst, wollen keine Zeit verlieren. Im Vordergrund steht sicherlich der Schutz der Spieler.“ Eine Entscheidung könnte auf der nächsten Ifab-Jahreshauptversammlung im Februar/März 2020 fallen.
Bereits im zurückliegenden Sommer hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) beschlossen, dass sich die Profis aller 36 Erst- und Zweitligisten jährlich einem Test zur Diagnose möglicher Hirnschäden unterziehen müssen. Vor der Saison sollen dann verschiedene Teilbereiche der Hirnfunktion wie die Balance und Merkfähigkeit untersucht werden. Der Kapitän des SC Paderborn, Klaus Gjasula, spielt nach einem 2013 erlittenen Jochbogenbruch mit einem Helm auf dem Kopf. „Ich fände es sinnvoll, wenn alle Spieler einen Helm tragen würden“, sagte er dem Nachrichtenportal T-Online. „Das würde vielleicht auf dem Platz komisch aussehen, aber es wäre definitiv für die Gesundheit aller das Beste.“
Untersuchung dauert im Spiel oft zu lange
Der Ifab-Ansatz bezieht sich allerdings zeitnah und direkt auf die Spielsituation. Wenn die Schädel zusammenprallen oder ein Spieler den Ellbogen eines Gegners abbekommt, können schwere Schäden entstehen. Ein Hirntrauma lässt sich mit einem sogenannten SCAT-5-Test feststellen. Einziger Haken an der Sache: So eine Untersuchung dauert zehn Minuten – zu lange, um ein Spiel zu unterbrechen beziehungsweise eine Mannschaft in Unterzahl spielen zu lassen.
Das Ifab überlegt daher, für diese Zeit einen Spieler einwechseln zu dürfen, ohne dass das reguläre Wechselkontingent von drei Spielern belastet wird. Brud: „Wir haben unterschiedliche Meinungen eingeholt von Schiedsrichtern, Trainern und Ex-Profis. Und einen Professor, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Gehirnerschütterungen im Sport, hinzugezogen. Aber das Thema ist zu komplex, um schnell zu entscheiden, ob eine Auswechslung auf Zeit die richtige Maßnahme ist.“
Anregungen haben sich die Regelhüter in anderen Sportarten geholt. Beim Rugby wird so eine Regel praktiziert, beim American Football müssen Spieler beim Verdacht auf Gehirnerschütterungen ins sogenannte Concussion Protocol, ehe sie im besten Fall weiterspielen dürfen.
Genügend traurige Beispiele
In der vergangenen Bundesligasaison gab es zu viele traurige Beispiele dafür, dass Handlungsbedarf besteht: Nürnbergs Torhüter Christian Mathenia war nach einem Zusammenprall augenscheinlich bewusstlos, spielte die Partie aber doch noch zu Ende. Beim VfB Stuttgart stießen in den Relegationsspielen gegen Union Berlin Holger Badstuber und der inzwischen bei Schalke 04 gelandete Ozan Kabak zusammen und blieben benommen liegen, ehe sie mit einem Turban auf dem Kopf wegen der Platzwunden weitermachten.
Bedenken müssen die Regelhüter natürlich auch den möglichen Missbrauch einer solchen Ausnahme-Auswechslung. Nicht auszuschließen ist, dass Verletzungen in der Schlussphase einer Partie von einer zurückliegenden Mannschaft ausgenutzt werden, um noch mal eine frische Kraft zu bringen. „Im Rugby kommt es durchschnittlich in jedem Spiel zu einer Kopfverletzung, im Fußball ist es die Ausnahme“, erklärt Brud und warnt: „Es handelt sich bei einer Gehirnerschütterung um eine nicht sichtbare Verletzung. Wir müssen etwas finden, das sowohl Spieler als auch das Spiel geschützt.“ Eine Möglichkeit wäre dann, einen neutralen Arzt die Diagnose erstellen zu lassen, ob ein Spieler verletzt ist oder nicht.