Die späte Erlösung entsprang keinem durchdachten Spielzug, keinem Geistesblitz, sie war ein Produkt des Zufalls – und passte damit zu diesem Spiel: Marco Reus schoss, der Ball wurde geblockt, landete bei Christian Pulisic, der wurschtelte ihn irgendwie zu Paco Alcácer – und der spanische Torjäger hämmerte den Ball aus kurzer Distanz trocken unter die Latte. Es war in der 84. Minute der Treffer zum 2:1, der Dortmund letztlich den Weg zu einem glücklichen, allerdings auch nicht unverdienten 3:1-Sieg gegen den VfB Stuttgart ebnete. Zumindest punktemäßig bleibt der BVB mit dem FC Bayern auf Augenhöhe, die Tabellenführung aber ist aufgrund des nun schlechteren Torverhältnisses erst einmal futsch.
BVB-Trainer Lucien Favre hatte gegen Stuttgart auf die gleiche offensive 4-1-4-1-Formation wie am Dienstag gegen Tottenham Hotspur (0:1) gesetzt: Mittelfeld-Abräumer Thomas Delaney blieb auf der Bank, Axel Witsel gab die einzige Absicherung im Mittelfeld – und davor teilten sich Mario Götze und Reus die Zuliefer-Dienste für Torjäger Alcácer. So zumindest die Theorie.
In der Praxis erspielte sich der BVB in Halbzeit eins rund drei Viertel Ballbesitz, konnte den aber nur äußerst selten in Chancen ummünzen. Entweder der letzte Pass geriet zu unpräzise oder die aufopferungsvoll verteidigenden Stuttgarter grätschten den Dortmundern so eben noch den Ball vom Fuß.
Gegen tief verteidigende Gäste war es zunächst vor allem Götze, der gute Ideen entwickelte – etwa einen traumhaften langen Steilpass auf Alcácer. Doch Benjamin Pavard war rechtzeitig zurückgeeilt und konnte klären (5.). Später schlug Götze, der überall auf dem Feld zu finden war, von der rechten Seite einen traumhaften Pass auf Alcácer, dem aber frei vor dem Stuttgarter Tor der Ball versprang (14.). Und dann wurde Reus im Strafraum per Grätsche gestoppt, der Nachschuss von Axel Witsel geblockt (19.). Dortmund hatte nach 20 Minuten 68 Prozent Ballbesitz, aber 2:3 Torschüsse – weil sie am und im Strafraum eher noch ein Zuspiel mehr wagten, anstatt abzuschließen, während es die Stuttgarter – zunächst ungefährlich – auch mal aus der Distanz versuchten.
Doch es waren die Gäste, die aus dem Nichts die größte Torchance hatten: Witsel verlor den Ball, Abdou Diallo fiel in einen Sekundenschlaf und lief bei Steven Zubers Steilpass Nicolas Gonzalez laufen, doch der schob den Ball, hart bedrängt von Achraf Hakimi, knapp am Tor vorbei (31.). Der Dortmunder Anfangsschwung war so langsam verebbt, es fehlten nun Tempo und Präzision, um die dichtgestaffelte Abwehr der Stuttgarter zu knacken. So versuchten es die Schwarz-Gelben mit Weitschüssen, was angesichts des starken Regens und des nassen Rasens nicht die schlechteste Idee war: Bei Jadon Sanchos Schuss aus 20 Metern musste sich VfB-Torhüter Ron-Robert Zieler ganz lang machen, um den Ball um den Pfosten zu lenken (37.). Bei Raphael Guerreiros ansatzlosem Versuch aus 25 Metern hatte der Torwart gehörige Probleme, lenkte den Ball aber irgendwie über die Latte (42.).
Alle vier Tore fallen erst nach der Pause
So ging es ohne Tore in die Pause. Und wer danach auf frischen Schwung gehofft hatte, sah sich getäuscht, es dauerte zehn Minuten bis zur ersten Torannäherung: Reus bediente Guerreiro, dessen Direktschuss von der Strafraumgrenze allerdings deutlich zu hoch angesetzt war (55.). Dortmund brauchte die Hilfe des Video-Assistenten, um endlich zu einer klaren Torchance zu kommen: Gonzalo Castro brachte Sancho zu Fall, Schiedsrichter Benjamin Cortus entschied auf Freistoß – doch Daniel Siebert intervenierte per Funk und verlegte den Tatort richtigerweise in den Strafraum. Reus blieb cool und und ließ Zieler mit einem präzisen Ball neben den Pfosten keine Abwehrchance (62.).
Wenig später hätte Alcácer nach Guerreiros feinem Pass für die Vorentscheidung sorgen können, sein Lupfer frei vor Zieler war aber doch etwas arg lässig – und der Torhüter konnte halten (69.). Das rächte sich umgehend: Marius Wolf verursachte tölpelhaft einen Freistoß auf der rechten Abwehrseite, bei Castros Hereingabe irrte Diallo orientierungslos durch den Strafraum und Marc-Oliver Kempf köpfte vollkommen frei zum 1:1 ein (71.).
Dortmund verpasste den postwendenden Gegenschlag: Alcácers Freistoß aus rund 30 Metern war zwar durchaus gefährlich, aber Ziele bekam die Hände noch heran (77.). Doch dann kam ja die 84. Minute kam der umjubelte Siegtreffer – und weil Ozan Kabak wenig später am Dortmunder Tor vorbeiköpfte (87.), Pulisic dafür auf Vorlage von Götze zum 3:1 traf, blieb es beim Sieg. Spielerisch ließ der BVB wieder einmal Luft nach oben – aber zumindest vom Ergebnis her ist die Krise zumindest vorübergehend beendet.
Autor: Sebastian Weßling
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