Mesut Özil lachte fröhlich, als er dem Herrn im Nadelstreifenanzug sein Trikot vom FC Arsenal mit der Nummer 11 überreichte. Ilkay Gündogan hingegen lächelte nur unter seinem schwarzen Schnauzbart, als er demselben Herrn sein Manchester-City-Trikot mit der Nummer 8 übergab. Seinen Stolz aber verbarg Gündogan nicht. Er hatte zu seinem Autogramm auf der Rückseite noch etwas hinzugeschrieben: „Für meinen Präsidenten, hochachtungsvoll“.
An diesem Dienstag wird im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund das Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft für die am 14. Juni in Russland beginnende Weltmeisterschaft bekanntgegeben, kurz zuvor haben die in der englischen Premier League spielenden türkischstämmigen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan in London den umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen – und damit heftige Kritik auf sich gezogen.
Empörung im Sport, in der Politik und in der Öffentlichkeit
Erdogan wird im Rahmen eines dreitägigen Staatsbesuchs in Großbritannien an diesem Dienstag von Queen Elizabeth und Premierministerin Theresa May empfangen. In der Türkei lässt er am 24. Juni vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abhalten – es ist sein Ziel, ein Präsidialsystem einzuführen. Die Unterstützung zweier prominenter deutscher Fußballstars dürfte für den türkischen Präsidenten, in dessen Land Oppositionelle und Journalisten im Gefängnis sitzen, von Bedeutung sein.
Entsprechend groß war die Empörung im Sport, in der Politik und in der Öffentlichkeit. Reinhard Grindel, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, schrieb bei Twitter: „Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht ausreichend beachtet werden. Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen.“ Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff kündigte eine Aussprache an, er relativierte aber auch: „Die beiden waren sich der Symbolik und Bedeutung dieses Fotos nicht bewusst.“
Tatsächlich nicht? Gündogan erklärte, beim Besuch einer Veranstaltung einer türkischen Stiftung in London hätten Özil und er sich für eine „Geste der Höflichkeit“ gegenüber dem „Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien“ entschieden: „Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen.“
"Geschmacklose Wahlkampfhilfe"
Der türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir, langjähriger Vorsitzender der Grünen, zeigte keinerlei Verständnis und maßregelte die beiden Fußballstars: „Der Bundespräsident eines deutschen Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin Angela Merkel, und das Parlament heißt Deutscher Bundestag.“
Özdemir warf Özil und Gündogan „geschmacklose Wahlkampfhilfe“ vor und riet ihnen, „noch einmal die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nachzuschlagen“.
An dem Treffen im Londoner Hotel Four Seasons nahm auch der deutsch-türkische Profi Cenk Tosun vom FC Everton teil. Der 26-Jährige gebürtige Wetzlarer ist allerdings türkischer Nationalspieler. Der 29-jährige Özil und der 27-jährige Gündogan, die beide in Gelsenkirchen geboren wurden, hatten sich auch mit dem Ziel einer größeren Karriere für die deutsche Nationalmannschaft entschieden. Für Özil zahlte sich das aus: Er wurde 2014, als Gündogan verletzt war, mit Deutschland Weltmeister.
Der DFB rühmt sich seit Jahren dafür, dass es dem Fußball gelingt, Menschen unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe zusammenzuführen. Die Nationalmannschaft diente als Vorzeigeteam: Weltmeister wurde eine ganze Reihe von Spielern mit Wurzeln in anderen Nationen. DFB-Präsident Grindel beklagt daher nun: „Der Integrationsarbeit des DFB haben unsere beiden Spieler mit dieser Aktion sicher nicht geholfen.“
Ton der Kritiker verschärft sich
Sie sorgen zudem dafür, dass bestehende Gräben vertieft und neue aufgerissen werden. Schon lange wird es mit Bedenken registriert, wenn Nationalspieler wie Özil vor Länderspielen nicht die deutsche Hymne mitsingen. Jetzt verschärft sich der Ton der Kritiker. In den sozialen Medien verurteilten viele Nutzer Özil und Gündogan scharf, und auch die AfD nahm die Steilvorlage auf. Alice Weidel, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, sagte der Wochenzeitung Junge Freiheit: „Sie sollten am besten gleich ihr Glück in der türkischen Nationalmannschaft suchen.“
Ein populistischer Rat, der sich nicht umsetzen lässt. Die internationalen Fußballstatuten untersagen Spielern, die bereits für ein Land um Punkte gespielt haben, den Wechsel zu einem anderen Verband.