Niko Kovac hielt sich zurück. Tief in ihm wird er von Genugtuung beseelt gewesen sein – verständlich nach diesen Tagen, in denen die Ankündigung seines Wechsels zum FC Bayern nach seinem halbherzigen Treue-Bekenntnis zu Eintracht Frankfurt den Verein durchgeschüttelt hatte. Eine klare Niederlage im Pokal-Halbfinale kurz nach dem deftigen 1:4 bei Bayer Leverkusen – und man kann sich vorstellen, welches Unwetter dann über den Kroaten hereingebrochen wäre. Nun aber saß er da nach dem 1:0-Sieg beim FC Schalke 04 und gab sich als stiller Genießer. Ganz wichtig war es ihm, feststellen zu können: „Man hat gesehen, dass wir eine Eintracht sind.“
Eine Eintracht, die mit kampfbetontem Kovac-Fußball zum zweiten Mal nacheinander das Pokal-Endspiel in Berlin erreicht hat. Im vergangenen Jahr verloren es die Frankfurter mit 1:2 gegen Borussia Dortmund, diesmal heißt der Gegner am 19. Mai FC Bayern – aus Sicht von Kovac: ausgerechnet. Natürlich wird das eine Partie sein, in der er als künftiger Trainer des Münchener Elite-Ensembles greller als sonst vom Scheinwerferlicht ausgeleuchtet werden wird. Kovac tat so, als interessiere ihn das alles derzeit überhaupt nicht. „Das ist noch weit weg“, versicherte er.
Pflichtgemäß erklärte der 46-Jährige, Frankfurt habe noch „ein hartes Restprogramm“ in der Bundesliga zu bewältigen, in den verbleibenden vier Spielen wolle er das Team unbedingt noch in einen europäischen Wettbewerb führen. Auf wiederholte Nachfrage gab der gebürtige Berliner dann aber doch zu, dass ihn der Gedanke an das Finale in seiner Heimatstadt froh stimmt. „Wir nehmen ja auch noch meinen Bruder Robert und den Kevin mit“, sagte er.
Robert Kovac, sein Co-Trainer, und Kevin-Prince Boateng, der Anführer des Teams, stammen bekanntlich auch aus Berlin und freuten sich ebenfalls diebisch über den gelungenen Coup. „Ich habe davon geträumt, gegen meinen Bruder Jerome das Finale in unserer Heimatstadt zu spielen“, erzählte Boateng, der bei seiner Rückkehr nach Schalke, wo er 2015 unrühmlich aussortiert worden war, wegen einer Verletzung nur 43 Minuten lang hatte mitwirken können.
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Die Umstände des Halbfinal-Sieges interessierten ihn weniger, die beschäftigten mehr die Schalker: Ihrer Ansicht nach hätte schon das wunderschöne Hackentor von Luka Jovic in der 75. Minute nicht zählen dürfen, weil der Schiedsrichter vorher gleich zwei Frankfurter Fouls übersehen habe. Doch besonders lange haderten sie nach dem Abpfiff wegen eines Ärgernisses in der vierten Minute der Nachspielzeit: Franco Di Santo hatte den Ball mit der Brust gestoppt und dann zum vermeintlichen 1:1 in letzter Sekunde ins Netz gefeuert, doch Schiedsrichter Robert Hartmann pfiff schon, als der Ball noch unterwegs war: Handspiel! Das Spiel galt also als unterbrochen, deshalb durfte der Video-Schiedsrichter nicht korrigierend eingreifen. Schlimm für Schalke: Die reflexartige Reaktion des Schiedsrichters beruhte auf einer falschen Wahrnehmung. Schalkes Sportvorstand Christian Heidel berichtete, das habe auch Hartmann ihm gegenüber zugegeben.„Das war eine glückliche Situation für uns“, räumte Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic ein, den die Rote Karte nach Videobeweis in der 81. Minute für Gelson Fernandes so sehr auf die Palme gebracht hatte, dass er betonte: „Das ist nicht mehr mein Fußball.“
Ja, auch Niko Kovac war nicht einverstanden mit dieser Entscheidung, aber sie war am Ende doch nebensächlich. Glücklich resümierte der Trainer: „Zweimal nacheinander mit Frankfurt im Endspiel zu stehen, das ist eigentlich nobelpreiswürdig.“