95 Minuten waren in Frankfurt gespielt, als der Ball noch einmal vor die Füße von Naldo kullerte. Schalkes Abwehrchef überlegte einen Moment und schob ihn souverän ins Tor - aus einem 0:2-Rückstand wurde im Fußball-Bundesligaspiel bei der Eintracht ein 2:2 (0:1). Wie in Dortmund, als aus einem 0:4 ein 4:4 wurde, holte Schalke in letzter Sekunde einen Rückstand auf. Wieder traf Naldo, wieder fielen sich alle Schalker überglücklich in die Arme - Derby reloaded.
Zum elften Mal in Folge blieben die Schalker unbesiegt, die Hinrunde schließen sie auf einem Platz ab, der zur Champions-League-Qualifikation berechtigt. „Die Mannschaft hat eine außergewöhnliche Mentalität entwickelt in den vergangenen Monaten. Das ist nicht erst seit heute so“, sagte Sportvorstand Christian Heidel begeistert.
Dabei hatte das Spiel für die Königsblauen miserabel begonnen. Abwehrspieler Benjamin Stambouli vertändelte den Ball am eigenen Strafraum, dieser landete nach einer Kombination bei Luka Jovic - und schon nach zwei Minuten führte die Eintracht mit 1:0.
Eine frühe Führung - ganz nach dem Geschmack von Eintracht-Trainer Niko Kovac. Fortan spielten die Gastgeber Frankfurt-Fußball: defensiv, engagiert, nickelig. Um vernünftige Spielzüge bemühten sich die Frankfurter kaum noch, schon früh verschleppten sie das Spiel. „Das ist eine sehr kampfstarke Mannschaft, die unangenehm zu spielen ist. Da dauert jede Spielunterbrechung zwei Minuten“, sagte Heidel.
Die Schalker dominierten deshalb vor 50.600 Zuschauern das Spiel, auch wenn sie sich erst in der 36. Minute ihre erste Torchance erarbeiten konnten. Nach einem Querpass von Yevhen Konoplyanka scheiterte Amine Harit an Torwart Lukas Hradecky. Kurz vor dem Pausenpfiff vergab Alessandro Schöpf die zweite erstklassige Gelegenheit, doch auch den Schuss des Österreichers könnte Hradecky parieren. Zur Pause stand es 1:0 für die Eintracht, S04-Trainer Domenico Tedesco fasste sich immer wieder an den Kopf. Er konnte diesen Spielstand kaum glauben.
Auch in der zweiten Halbzeit änderte sich wenig am Spielverlauf: Schalke dominierte, Frankfurt verteidigte mit allen Mitteln. „Es war in vielen Belangen sehr, sehr gut. Ich kann der Mannschaft kaum etwas vorwerfen“, sagte Tedesco. Dass sein Team dennoch nach 66 Minuten mit 0:2 zurücklag, hatte mit der Frankfurter Effektivität zu tun. Mijat Gacinovic vernaschte im Schalker Strafraum Max Meyer, den Querpass verwandelte Sébastien Haller mit der Hacke.
Die Frankfurter Fans tobten und schunkelten nun zum Gesang „Wir wollen nach Europa“. Sie hatten das Spiel schon abgehakt. Doch die Königsblauen drehten noch einmal auf. Die Schluss-Offensive begann mit der Einwechslung von Breel Embolo, der zwei Minuten nach dem 0:2 kam. Nun warf Schalke alles nach vorn. Zunächst schlenzte Matija Nastasic den Ball per Freistoß ganz knapp am Tor vorbei (76.). Sechs Minuten später erzielte Embolo nach einer Vorlage von Guido Burgstaller das 1:2. In der 84. Minute schoss Caligiuri den Ball wuchtig aufs Tor - Hradecky wehrte mit Mühe ab.
Vier Minuten Nachspielzeit zeigte Schiedsrichter Dr. Kampka an - in der fünften schließlich traf Naldo zum 2:2, für seine Verhältnisse fast schon zärtlich mit dem Innenrist. „Die meisten haben doch gedacht, der schießt das Tor um“, sagte Heidel und lachte danach. Ausgerechnet der emotionale Trainer Tedesco erlebte den Treffer allerdings nicht live. Nachdem er wegen Reklamierens in den Kabinengang geschickt worden war, verfolgte er Naldos Tor vor einem Bildschirm - ein stiller Moment am nächsten Schalker Ausnahmetag.