Sein letztes Schalke-Interview findet da statt, wo er sieben Jahre zu Hause war: im Innenraum der Arena. Wir sitzen auf einer Bank am Spielfeldrand und zeigen Klaas-Jan Huntelaar den Bericht über den 8. September 2010 – seinen ersten Tag beim Fußball-Bundesligisten. Sein ältester Sohn Seb (8) war damals als Baby dabei und ist mit Schalke aufgewachsen, die anderen drei Kinder wurden in der Zeit auf Schalke geboren. Eine Familie in Blau und Weiß, auch wenn für den Niederländer am Samstag (15.30 Uhr/Sky) das letzte Spiel für Königsblau in Ingolstadt ansteht.
Versteht Seb, was Ihnen Schalke bedeutet? Klaas-Jan Huntelaar: Es ist normal für ihn, dass ich bei Schalke spiele. Wenn ich ihm jetzt erkläre, dass Papa bald zu einem anderen Verein geht, dann sagt er: Nein, bleib bei Schalke. Es wird also auch für ihn ein bisschen anders werden.
Wie erklären Sie ihm Schalke? Schalke ist emotionale Leidenschaft, von mir selbst, und auch von den Fans. Aber Seb fragt nicht danach, er will lieber mit mir selbst Fußball spielen (lacht).
Auf Schalke ist alles extremer, im Positiven wie im Negativen. Das macht es interessant, aber am Ende macht es das auch schwerer.
Klaas-Jan Huntelaar
Sie haben bei Ajax Amsterdam, Real Madrid, AC Mailand gespielt. Was macht Schalke so besonders? Ein Verein wie Real Madrid gewinnt fast jedes Jahr einen Titel, mit Schalke gewinnst du nicht jedes Jahr etwas. Also ist hier die Hoffnung auf einen Titel immer sehr groß, und wenn es dann einmal passiert, ist die Freude darüber auch extrem. Hier triffst du die Fans beim Training, die reden mit dir, also spürst du es mehr. Bei anderen Vereinen ist das Training nicht öffentlich.
Sie haben mit Schalke 2011 den DFB-Pokal gewonnen. War das der Höhepunkt Ihrer Zeit auf Schalke? Wenn man einen Titel gewinnt, hat man etwas in der Hand – das ist natürlich am schönsten. Aber wir haben auch Champions League gespielt, waren im Halbfinale gegen Manchester United, sind zweimal gegen Real Madrid rausgeflogen, aber beim zweiten Mal fehlte uns im Bernabeu nur ein einziges Tor in der letzten Minute zum Weiterkommen. Das waren auch Höhepunkte. Die gesamte Zeit auf Schalke war ein Höhepunkt.
Würden Sie einen Moment gern aus der Erinnerung löschen? Das Heimspiel gegen Paderborn am 33. Spieltag der Saison 2014/15. In diesem Moment hatten wir unsere Fans verloren.
Die Fans riefen damals: Außer Fährmann könnt ihr alle gehen. Es waren sehr viele Emotionen damals dabei, das haben die Fans gespürt und wir Spieler auch. Das war ein ganz schwerer Moment. Auf Schalke ist alles extremer, im Positiven wie im Negativen. Das macht es interessant, aber am Ende macht es das auch schwerer.
Ich denke, es ist gut so mit den sieben Jahren. Für meine Karriere war es die richtige Entscheidung.
Klaas-Jan Huntelaar auf die Frage, ob er gerne noch auf Schalke geblieben wäre.
Sie waren sechs Jahre immer Schalkes Top-Torjäger, aber im letzten halben Jahr saßen Sie auf der Bank. Natürlich wollte ich immer spielen. Das gilt wie bei jedem Spieler, der nicht spielt, für mich auch.
Wären Sie gerne geblieben? Ich denke, es ist gut so mit den sieben Jahren. Für meine Karriere war es die richtige Entscheidung.
Viele Fans sagen: Mit Ihnen geht der letzte große Schalker. Natürlich macht das stolz. Dafür spielt man doch auch, um etwas zu erreichen, um den Leuten etwas zurück zu geben – die Fans machen ja auch alles für den Verein. Am Samstag habe ich einen super Abschied bekommen. Wir hatten schöne Jahre mit guten Mannschaften, das letzte Jahr war etwas schwieriger.
Jahrelang stand Schalke für Spieler wie Raúl und Huntelaar, für die Champions League. Wird es für Schalke in Zukunft schwieriger? Das denke ich nicht. Schalke wird immer einer der größten Vereine in Deutschland sein. Der Verein hat immer noch Ressourcen und hat viele Argumente, um gute Spieler zu holen. Manchmal muss man wieder etwas Neues aufbauen, so wie es damals Magath gemacht hat, als er Raúl und mich geholt hat.
Wäre es gut für Schalke, wenn wieder Stars kommen? Es geht immer darum, die richtigen Spieler zu holen. Wenn man das ein paar Mal gut macht, kann man etwas aufbauen und kommt weiter.
Wie sieht Ihre eigene Zukunft aus? Ich habe jetzt ein paar Angebote und werde die mit meinem Berater besprechen, eine Entscheidung habe ich noch nicht getroffen. Es sollte nicht so weit weg sein, nicht in Dubai oder China. Lieber ein bisschen in der Nähe, damit man die Kinder sehen kann. Auf jeden Fall in Europa, vielleicht sogar in Holland.
Gewinnen die privaten Dinge jetzt mehr an Bedeutung? Die haben schon immer viel Bedeutung für mich gehabt, aber wenn die Kinder älter werden, willst du nicht mehr alles durcheinander bringen.
Wir haben gehört, dass Sie jetzt auch einen großen Garten haben... Ja, ich baue mit ein paar Freunden Obst und Gemüse an. Das wollten wir schon lange machen, aber die Freunde haben kein großes Grundstück dafür gefunden. Und dann haben wir gesagt: Machen wir es eben bei mir zu Hause. Jetzt sind da Bäume, auf den Feldern wird angebaut.
Hört sich an wie auf dem Bauernhof. Ich lebe ja auf einem alten Bauernhof. Der wurde umgebaut, aber das Land ist noch dabei. Früher waren da Schafe, jetzt sind da Felder. Tiere haben wir nicht. Ich hatte ein paar Hühner, aber die sind alle schon verzehrt worden. (lacht)
Der Hunter als Metzger? Nein, die hat der Marder mitgenommen. Die Marder rauben einfach alles weg, Eier und sogar die Hühner.
Ein bisschen traurig bin ich über meinen Abschied schon.
Klaas-Jan Huntelaar
Sie haben drei Söhne und ein Mädchen. Wer wird der neue Hunter? Das müssen wir sehen. Seb ist der Älteste, der ist schon ziemlich verrückt nach Fußball. Axel macht auch schon schön mit, aber er verliert immer gegen Seb, weil er noch jünger ist. Jim ist noch ganz jung, erst vier Monate. Und mit unserem Mädchen Puck haben wir einen guten Schiri. Die macht alle verrückt, sie ist schon jetzt der Chef bei uns.
Würde es Sie freuen, wenn die Jungs Fußballer würden und später vielleicht auf Schalke spielen könnten? Ich würde mich freuen, wenn sie etwas machen, das sie lieben. Das habe ich auch gemacht, vom Hobby bis zum Beruf.
Am Samstag in Ingolstadt spielen Sie das letzte Mal für Schalke. Wissen Sie schon, was Sie am Abend machen, wenn Sie nach Hause kommen? (lacht) Ich komme nicht nach Hause, wir haben unsere Abschlussfeier mit der Mannschaft. Dann bleibe ich über Nacht hier, weil am Sonntag das Eurofighter-Spiel ist, da werde ich noch fünf Minuten mitspielen. Aber dann fahre ich nach Hause, mache eine Flasche Wein auf und genieße die mit meiner Frau.
Sind Sie traurig zum Abschied? Ein bisschen schon.