Acht Punkte hat die Mannschaft in elf Spielen geholt. Planen Sie auch auf der Trainerposition zweigleisig? Verstehe ich nicht.
Sie haben doch sicher schon eine Alternative im Hinterkopf? Warum sollte ich das haben?
Andere Vereine haben das auch getan. Beispielsweise Ingolstadt. Wissen Sie, ich muss immer ein wenig schmunzeln. Vor der Saison waren wir schon der erste Absteiger. Immer. Überall. Vor der Saison hat jeder gesagt ‚Oh, das wird ganz schwierig und es wird noch schwieriger als letztes Jahr’. Und nun sind wir mitten in der Saison. Und siehe da: Wir sind nicht auf einem Abstiegsplatz. Das waren wir einmal in dieser Saison, und das war nach dem ersten Spieltag. Ich denke, das ist nicht unbedingt repräsentativ. Seitdem befinden wir uns in einem brutal schweren Abstiegskampf – genau das, was vor der Saison angesagt war. Worüber soll ich mir also Gedanken machen?
Sie gehen sehr entspannt mit der Situation um. Woher nehmen Sie diese Entspanntheit? Ich nehme diese Gelassenheit aus relativ viel Erfahrung im Profifußball. All diese Situationen, all diese Dinge, die – positiv wie negativ – ablaufen, habe ich 25 Mal durchgemacht. Die schocken mich nicht. All die Reaktionen der Leute draußen, der Medien – die kenne ich alle schon. Und ich weiß, was hier möglich ist. Nun sind wir schon fast wieder beim Ausgangspunkt: Es ist nur Fußball. Wir versuchen, das Ding hier so gut wie möglich zu machen, wie wir es können. Es hängt von vielen Faktoren ab, ob es dieses Jahr wieder klappt. Aber: Wer hier glaubt, dass dieser Verein nicht abzusteigen kann, der ist als Kind zu oft vom Wickeltisch gefallen und immer mit dem Kopf aufgeschlagen. Das muss man einfach sehen. Und wenn hier ein anderer kommt, der sagt: ‚Ich garantiere, dass ihr in der Liga bleibt’, dann gibt es für mich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sollte man den nehmen, oder er ist ein Scharlatan. Ich gehe von der zweiten Möglichkeit aus.
Denken Sie, dass Ihre Gelassenheit sowie ein eventueller Abstieg den Fans über lange Sicht zu vermitteln sind? Ich glaube, langjährige Fans denken auch an die letzten 30 Jahre und daran, wie die abgelaufen sind. Möchte man Dinge wie die 4. Liga oder eine Fast-Insolvenz etwa wieder haben? Möchte man eine Führung, die vollkommen kopflos agiert? Möchte man jetzt jemanden haben, der den Verein vollkommen verschuldet? Oder einen, der Harakiri spielt? Dafür bin ich nicht der Richtige. Und dabei spielt auch der Vorstand nicht mit. Ich glaube, dass unsere Fans so clever und intelligent sind, auf die Vereine zu schauen, die es genauso gemacht haben und jetzt als Paradebeispiel dastehen. Siehe SC Freiburg: Volker Finke ist mit dem Verein mehrmals abgestiegen. Es gab nie eine Diskussion um ihn als Trainer. Oder beim FSV Mainz: Es gab keine Diskussion um Jürgen Klopp, nachdem er mit der Mannschaft abgestiegen ist. Er ist übrigens danach auch nicht wieder aufgestiegen. Über die Qualitäten dieser Trainer gab es keine Diskussionen.
Welche Besonderheiten bringt Trainer Norbert Meier mit, um die Mannschaft durch diesen Abstiegskampf zu führen? Wir haben vor der Saison ein Anforderungsprofil erstellt. Wir wollten einen Trainer haben, der die 1. und die 2. Liga kennt, wir wollten einen Trainer haben, der schon auf- und auch abgestiegen ist. Und natürlich brauchten wir einen Trainer, der schwierige Situationen kennt. Der nicht gleich umfällt, wenn ihm der Wind ein bisschen ins Gesicht bläst. Natürlich war für uns wichtig, dass der Trainer es gewohnt ist, mit einem kleinen Budget zu arbeiten und nicht immer rumbrüllt und sagt, dass er noch drei andere braucht, die wir gar nicht bezahlen können. Und für die wir auch nicht bereit sind, uns zu verschulden. All das sind die Dinge, die dazu geführt haben, dass wir gesagt haben: ‚Ja, wir sind davon überzeugt, dass das der richtige Mann ist.’
Zuletzt war von Ihnen zu hören, dass Sie von Angst bei den Spielern gesprochen haben. Ich habe gesagt, dass wir beim Spiel gegen Ingolstadt in der Situation waren, etwas zu verlieren. Im Gegensatz zur letzten Saison, als der SVD nur gewinnen konnte. Nun war es zweimal so – in Walldorf und gegen Ingolstadt – dass wir in der Situation waren, etwas verlieren zu können. Und dann passiert es, dass der ein oder andere Mal etwas ängstlich oder gehemmt ist. So wie am Samstag, aber wir hätten das Spiel dennoch gewinnen müssen. Ich habe diese Zeiten selbst miterlebt. Dagegen muss man angehen. Das ist das, was ich gesagt habe.
Das klang zunächst etwas anders... Daraus wurde eine riesige Schlagzeile mit dem Begriff Angst gemacht. So ist das nun mal leider mittlerweile in unserer Gesellschaft. Heute ist alles geil, sensationell und unglaublich, was vor 25 Jahren 30 Mal in der Halbzeit passiert ist. Oder eben das komplette negative Gegenteil. Ein normales Mittelmaß gibt es so gut wie gar nicht mehr.
Sie vertreten diese Meinung sehr stark. Nein, ich bin einer von denen, die das offen sagen. Manch andere scheißen sich in die Hose, die sagen das nicht offen, weil sie vielleicht Angst vor irgendwelchen Konsequenzen haben. Die pusten mit in dieses Rohr – alles ist sensationell und geil. Wenn heute ein Torwart den Ball in der kurzen Ecke hält, dann kommen diese Superlative wieder ins Spiel. Vor 25 Jahren hätte man gesagt: ‚Den muss er doch halten.’
Zur sportlichen, aber auch zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesliga gehört, dass es seit dem elften Spieltag einen neuen Tabellenführer gibt. Sportlich ist das sicherlich reizvoll, dass mal jemand anders oben steht. Jörg Schmadtke hat das treffend gesagt: Die Ressourcen, die RB Leipzig hat, setzt der Verein gut ein und macht viele gute Dinge damit. Aber es ist relativ einfach, mit diesen Mitteln die Liga zu halten, das Stadion auszubauen und ein Trainingsgelände zu bauen. Da brauchen sich die Leute auch nicht gegenseitig auf die Schulter zu klopfen oder sich auf die Schulter klopfen zu lassen. Wenn ich die Möglichkeit habe, hier ein Trainingsgelände zu bauen, dann mache ich das eben. Schwierig ist das nicht. Schwieriger ist anders herum.
Lesen Sie auf Seite 3, wie Holger Fach die Chancen von Darmstadt auf Schalke sieht.