Dortmunds Rechtsradikale provozieren gerne, sei es mit schwarz-gelben Wahlplakaten , mit Anfragen im Rat der Stadt, mit Pöbeleien auf Bürgerversammlungen oder durch unfreiwillig komische Propaganda-Videos, die einen selbsternannten "Stadtschutz" in Aktion zeigen sollen. Die Neonazis wollen einschüchtern und den Bürgern vorgaukeln, sie seien in der Stadt allgegenwärtig. Doch nun könnten sie sich den falschen Gegner ausgesucht haben: die Ultras von Borussia Dortmund.
Zunehmend zeigen die Rechten Präsenz im BVB-Umfeld, bevorzugt bei Spielen, bei denen keine oder nur wenige Ultras zugegen sind. Spielt etwa die Zweite Mannschaft des BVB parallel zu den Profis, wissen die Neonazis, dass sie weitgehend unbehelligt Flagge zeigen können - beispielsweise in Form eines "Borussenfront"-Banners. Sind wider Erwarten doch Ultras im Stadion, kann es schnell zu Zusammenstößen kommen.
Ultras beziehen Stellung gegen Nazis
Denn dass die Ultras keine Neonazis im BVB-Umfeld dulden, machten sie in den vergangenen Monaten mehrfach deutlich. Schon in der vorigen Saison sendeten Ultras per Spruchband eine klare Botschaft an die Partei Die Rechte: "@Die Rechte: Ihr habt mit unserem Derby nichts zu tun! Verpisst euch!", lautete die klare Botschaft. Die Partei "Die Rechte" hatte zuvor ihren Ärger darüber geäußert, dass sie bei einer Demo von Essen nach Gelsenkirchen von Schalker Ultras aufgehalten worden war.
Bei einem Testspiel der Zweiten Mannschaft des BVB in Lünen lieferten sich Dortmunder Ultras eine Schlägerei mit Neonazis . Parteikader von Die Rechte und Mitglieder der Borussenfront hatten das Spiel besucht. Zu solchen Zusammenstößen kommt es immer wieder, wobei die Rechten nach Ansicht von Szene-Beobachtern eine erstaunliche Beharrlichkeit an den Tag legen: "Die Nazis wissen, dass sie immer auf die Fresse kriegen, und tauchen trotzdem immer wieder auf", bringt es einer auf den Punkt. Auch Michael Brück, Führungskader der Partei und mittlerweile mit Sitz im Dortmunder Rat , habe "schon öfter kassiert", sei aber immer wieder im Umfeld von BVB-Spielen präsent.
Neonazis zeigten Hitlergruß und bepöbelten Ultras
Zur bislang größten Eskalation kam es nun am Samstag nach dem Spiel des BVB gegen Borussia Mönchengladbach . An der Hohe Straße hatten sich laut Polizeibericht rund 30 Rechte versammelt. Zeugen schildern, dass die Gruppe aus Neonazis von Die Rechte und Mitgliedern der Borussenfront zuvor versucht hatte, in eine Kneipe einzudringen. Der Wirt habe ihnen Lokalverbot erteilt, ein Fanclub, der die Kneipe an Spieltagen nutzt, habe ihn dabei unterstützt. Die Rechten hätten daraufhin die nahe gelegenen Räumlichkeiten des Fan-Projekts in der Dudenstraße angegriffen, weil sie wussten, dass sie dort auf einige Ultras treffen würden. Angriffe auf Fan-Projekte gelten unter Fans, insbesondere unter Ultras, als Tabubruch.
Obendrein, schildern Augenzeugen, hätten die Neonazis die Ultras mit Hitlergruß und "Scheiß Juden"-Rufen provoziert. Die Ultras und auch andere Fans hätten daraufhin versucht, die Rechten zu attackieren. Die Polizei, so eine Augenzeugin, habe schnell Ketten gebildet und die Gruppen voneinander getrennt. Eine größere Anzahl Ultras sei dabei eingekesselt worden. "Die haben sich sehr ruhig verhalten", so die Augenzeugin. Die Polizei selbst konnte am Montag nicht detailliert Stellung zu den Vorfällen beziehen.
BVB-Fanabteilung kritisiert Polizeieinsatz
Die BVB-Fanabteilung erreichten jedoch Beschwerden über den Polizeieinsatz. Demnach hätten die Rechten Bewegungsfreiheit gehabt, während die Ultras eingekesselt worden seien. "Wir werden der Polizei einige Fragen stellen", so Jakob Scholz, Vorstandsmitglied der Fanabteilung. Laut Augenzeugen sei die Polizei auch nicht eingeschritten, als von den Rechten der Hitlergruß gezeigt wurde. Auch seien die Ultras intensiver durch die Polizei beobachtet worden als die Neonazis.
Aus mehreren Richtungen, so schildern es Beobachter, hätten sich im weiteren Verlauf des Abends Ultras genähert, um die von den Nazis bedrohten Fans zu unterstützen. Mehrere Zeugen der Ereignisse betonen allerdings, dass sich nicht nur Ultras gegen die Neonazis gestellt hätten: "Viele normale Fans waren total in Rage über das Verhalten der Nazis", sagt einer. Eine andere Beobachterin sagt: "Es wurde immer voller, Hunderte Leute haben gezeigt, dass sie die Nazis nicht wollen." Szenekenner hoffen nun, dass das Verhalten der Rechten sogar einen positiven Effekt auf die Fanszene haben wird: "Jeder weiß jetzt, was Die Rechte für ein Spiel treibt." Und die angeblich unpolitischen Hooligans "demaskieren sich selbst, wenn sie mit rechten Ratsherren und Parteikadern zusammenarbeiten", sagt ein Insider.
In der Szene wird gemunkelt, dass die Rechten versuchen, an die Adressen von Dortmunder Ultras zu gelangen. Längst komme es auch abseits von Spieltagen zu Überfällen. Zahlenmäßig ist die Dortmunder Neonazi-Szene den Ultras unterlegen. Ein Kenner der Fanszene beurteilt die Situation eindeutig: "Wenn die Nazis jetzt an die Fußball-Fans gehen, haben sie sich mit den Falschen angelegt."