Kurz vor seinem „Zwölfeinhalbten“ erreichte RevierSport den ehemaligen Torjäger bei einem Abendspaziergang mit seinen beiden Hunden.
Marek Lesniak, am Wochenende feiern Sie Ihren 50. Geburtstag. Wobei: Es ist ja etwas kompliziert, Sie haben ein kleines Problem... Als ich jung war, habe ich dann immer am 28. Februar gefeiert. Jetzt, wo ich etwas älter bin, feier ich immer am 1. März. So ist es auch dieses Mal. Aber es gibt keine große Party, ich werde nur mit ein paar engen Freunden und meiner Familie ganz gemütlich zusammensitzen. Aber wenn ich 60. werde, dann sieht die Sache anders aus, dann wird bestimmt etwas größer gefeiert – und im Jahr 2024 gibt es ja auch einen 29. Februar.
Was darf man Marek Lesniak denn zum 50. Geburtstag wünschen? Ach, eigentlich nur Gesundheit, das ist das Wichtigste, egal ob man 50 oder 80 ist. Mit 50 ist man zwar noch kein alter Sack, aber auf dem Weg dorthin.
Ein runder Geburtstag ist natürlich ein willkommener Anlass, um auf die Vergangenheit zurückzublicken. Den größten Einschnitt haben Sie bestimmt 1988 erlebt, oder? Oh, das ist lange her. Aber natürlich kann ich mich noch an die Eckpunkte erinnern. Los ging es am Warschauer Flughafen. Mit der polnischen Olympia-Mannschaft sind wir nach Kopenhagen zum Auswärtsspiel geflogen. Ich habe dieses Spiel dazu genutzt, um über Dänemark nach Deutschland auszuwandern. Der Wechsel zu Bayer Leverkusen war über Kontaktpersonen schon vorbereitet.
Hatten Sie Angst vor diesem Schritt?Natürlich war das aufregend. Aber ich musste diesen Weg gehen, wenn ich in Deutschland spielen wollte, eine andere Möglichkeit hätte ich mit meinen 24 Jahren damals nicht gehabt. Die Ausreise war erst ab 28 Jahren erlaubt, aber so lange wollte ich nicht warten, denn dann neigt sich die Karriere ja schon wieder dem Ende entgegen. Das waren andere Zeiten, es herrschte noch der Kalte Krieg, in Polen waren die Verhältnisse streng, bevor man nicht seinen Dienst beim Militär geleistet hatte, war nichts möglich. Aber mit meinem Schritt habe ich die Wartezeit für die anderen polnischen Spieler wohl ein bisschen verkürzt, denn als Andrzej Rudy, der wenige Monate später nach Deutschland kam, war die Regelung schon lockerer. Ich war also schon ein echter Pionier.
Wahrscheinlich waren Sie froh, dass mit Rudy ein polnischer Landsmann ganz in der Nähe beim 1. FC Köln anheuerte, oder? Ja, da waren wir dann schon zu dritt. Denn von Anfang an hat auch Andrzej Buncol dazugehört, der ja schon in Leverkusen war. Das hat es einfacher gemacht. Włodzimierz Smolarek (polnische Fußballlegende und Vater des späteren BVB-Stars „Ebi“ Smolarek) von Eintracht Frankfurt und Andrzej Palasz von Hannover 96, waren auch noch da, aber die waren etwas älter.
Als Sie vier Jahre später von Leverkusen zu Wattenscheid wechselten, hatten sich die politischen Verhältnisse geändert. War die Zeit an der Lohrheide auch aus sportlicher Sicht etwas ganz Besonderes? Ganz sicher. Das war eine sehr schöne Zeit, als wir mit Wattenscheid in der Bundesliga in ganz Deutschland für Furore gesorgt haben. Wir hatten nicht solche Möglichkeiten wie die Konkurrenten, wir haben vom Kampf und Zusammenhalt gelebt. Das hat unsere Mannschaft ausgezeichnet, das wollten die Leute damals auch von uns sehen. Wir haben uns in Wattenscheid alle sehr wohl gefühlt, wer da war, wollte eigentlich auch immer bleiben. Markus Schupp ist dann zu den Bayern gewechselt, bei dem Angebot konnte man natürlich schon mal schwach werden (lacht).
Sie persönlich galten als Bayern-Schreck, vor allem wegen Ihres Fallrückzieher-Tores, dem Siegtreffer beim 2:0 gegen Bayern München am 2. April 1994. Ja, das ist auch zum Tor des Monats gewählt worden. Das 1:0 von Ali Ibrahim war aber auch nicht schlechter, das ist ebenfalls ganz weit vorn gelandet. Die Spiele zwischen Wattenscheid und Bayern waren etwas ganz Besonderes, auch für mich persönlich, denn ich habe fast immer gegen die getroffen.
Sie hatten das Glück, dass Sie sehr lange aktiv sein durften... Ja, ich habe als 40-Jähriger noch 18 Tore in Velbert, in der vierten deutschen Liga geschossen! Erst dann habe ich meine Karriere beendet.
Waren Sie im Rückblick vollauf zufrieden oder hätten Sie vielleicht noch mal gern bei einem richtig großen Verein gespielt? Manchmal denkt man das schon. Vielleicht würde man heute den ein oder anderen Schritt anders machen. Ich bin aber ein gläubiger Mensch und denke, dass alles so sein sollte, wie es gekommen ist. Ich brauche nicht viel zu bereuen. Es wäre müßig sich zu überlegen, was sonst noch hätte sein können.
Im Moment trainieren Sie die U19-Mannschaft des SV Wiehl. Ist dort ein neuer Lesniak dabei? Ach, als ich im gleichen Alter war, da habe ich ja kaum noch bei den Junioren, sondern schon bei den Profis gespielt. Natürlich kann ich den Jungs auch Tipps geben, aber man muss auch bedenken, dass sie nicht bei Schalke 04, sondern beim FV Wiehl spielen. Von solch einem kleinen Verein wäre es ein gewaltiger Schritt. Ich wünsche das jedem meiner Spieler, aber wenn es wirklich einer oder zwei schaffen sollten, dann wäre es schon eine Sensation. Es gehört nicht nur Talent dazu auch unheimlich viel Glück.
Sie sind über 30 Jahre älter als Ihre Spieler. Sind die Jungs anders drauf als Sie es im gleichen Alter waren? Mir ist aufgefallen ist, dass wir viel besser mit Kritik umgehen konnten. Wenn wir eine Ansage vom Trainer bekommen haben, dann war das überhaupt kein Problem. Heute passiert es mir immer öfter, dass mich die Eltern ansprechen. „Hören Sie, Herr Lesniak: Mein Sohn ist erst 18 Jahre alt, Sie dürfen doch nicht mit ihm schimpfen. Das wäre früher nicht vorstellbar gewesen.“
Haben Sie eigentlich mitbekommen, dass Wattenscheid 09 aktuell auf Trainersuche ist? Nein, das wusste ich nicht (überlegt).Das finde ich ja schon interessant. Aber von Wiehl ist es doch ein bisschen weit bis nach Wattenscheid...