Der vereinbarte Termin zum Interview mit Andreas Rettig verschiebt sich um wenige Minuten nach hinten. Der Grund für die kleine Verzögerung ist ein gewichtiger: Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) musste noch ein kurzes Telefonat mit Dr. Rainer Koch vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) führen, der dort als Vorsitzender der Anti-Doping-Kommission firmiert. Im Gespräch mit RevierSport verrät Rettig, wie DFL und DFB künftig mit dem Thema Doping im Fußball umgehen werden, wie Kollektivstrafen bei Fan-Vergehen vermieden werden können und warum ihn der MSV Duisburg mächtig beeindruckt hat.
Herr Rettig, das Thema Doping beschäftigt die Sportwelt vor dem Hintergrund der gerade beendeten Tour de France natürlich vermehrt. Was wird im Fußball gemacht, um einem Betrug vorzubeugen? DFB und DFL haben im Schulterschluss auf den Weg gebracht, dass im Fußball noch in diesem Kalenderjahr – neben den schon lange üblichen Urinproben – auch Bluttests eingeführt werden. Es müssen nur noch die letzten Formalitäten geklärt werden. Es wurden schon das eine oder andere Mal kritische Stimmen laut, dass nur deshalb nie etwas gefunden wurde, weil Urinproben nicht genügend zu Tage fördern würden. Diesem unterschwelligen Vorwurf sind wir nun frühzeitig begegnet, indem wir beschlossen haben, zwar nicht die Quantität, wohl aber die Qualität der Dopingproben zu erhöhen.
Wie wird das konkret aussehen? Es werden rund 15 Prozent der Urinproben künftig durch Bluttest ersetzt. Die Spieler müssen jeden Tag damit rechnen, beim Training kontrolliert zu werden. Wir haben zwar keinen Anlass zu befürchten, dass es solche Vergehen gibt, aber wir wollten bewusst ein Zeichen setzen.
Am Wochenende wurde bekannt, dass Sperren nach Roten Karten künftig auch zur Bewährung ausgesprochen werden könnten. Ein ganz ähnliches Konzept verfolgen DFL und DFB mit Blick auf Vergehen von Fans in den Stadien. Wie funktioniert dieses System? Wir wollen weg von Kollektivstrafen und hin zu einer täterorientierten Bestrafung. Keiner möchte Geisterspiele. Wir wollen Klubs und Fans die Möglichkeit geben, das Strafmaß für ein Vergehen aktiv mitzubestimmen, indem sie, wenn etwas passiert ist, die nächsten Spiele unter Bewährung austragen und, sollte es keine neuen Vorfälle geben, das Strafmaß gemildert werden kann. Hinzu kommt, dass es ausdrücklich begrüßt wird, wenn Täter exakt ermittelt werden können. Das wäre für alle die beste Lösung.
Müssen die Fans dazu mehr in die Verantwortung genommen werden? Die wichtige Botschaft ist doch, dass wir von dieser falsch verstandenen Solidarität in den Fankurven wegkommen. Es kann nicht sein, dass dort ein Korpsgeist herrscht, wonach keiner, der Straftaten begangen hat, verpfiffen werden darf. Wir müssen die nachweislichen Störer isolieren und bestrafen, damit am Ende nicht Unbeteiligte unter deren Vergehen leiden müssen.
Nachdem es im Vorfeld des im Dezember verabschiedeten Sicherheitspapiers zwischen Fans und Offiziellen hoch her ging, scheint sich die Diskussion inzwischen versachlicht zu haben. Glauben Sie, dass es auf dieser Ebene bleibt? Das wünschen wir uns natürlich. Wir haben eingeräumt, dass seinerzeit nicht alles optimal gelaufen ist und seither viele gute Gespräche geführt – übrigens häufig auch fernab der Öffentlichkeit. Wir haben mit Fanvertretern über Themen gesprochen, die beiden Seiten wichtig erschienen. Es ist der richtige Ansatz, dass man nicht nur erst dann miteinander spricht, wenn es wieder ein Problem gibt. Allerdings sind hier insbesondere auch die Klubs in der Pflicht, weil sie naturgemäß viel näher an ihren Fans dran sind.
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