Die Trainingskiebitze, die sich zu den Einheiten in La Manga versammeln, sind nicht unbedingt Fans, die alle zwei Wochen im Dortmunder Stadion den BVB anfeuern. Viele ältere Semester, die gerade im sonnigen Spanien die nasskalten deutschen Wintermonate überbrücken, wollen einfach kurz beim BVB vorbeischauen. Logisch, dass da nicht jeder Spieler auf Anhieb erkannt wird. Die Frage, die ein älterer Herr am Montag an einen jungen Mann im BVB-T-Shirt richtete, konnte aber selbst der eingefleischte Anhänger erst nach kurzer Beratung mit seinen Kumpels beantworten: „Wer ist denn der Lange da?“
Sechs Vereine in sechs Jahren
Der „Lange“ ist einer, der selbst nicht richtig glauben kann, was ihm im letzten halben Jahr widerfahren ist. Balint Bajner, vor 15 Wochen noch vereinslos, hat der ungarische Angreifer plötzlich die Gelegenheit, im Trainingslager der Profis unter Jürgen Klopp zu trainieren. „Ich bin sehr, sehr glücklich“, sagt Bajner fast ein bisschen ehrfürchtig. „Es ist unglaublich.“
Die bisherige Karriere des 21-Jährigen liest sich wie der Lebenslauf eines Spielers, dem es partout nicht gelingt, irgendwo richtig anzukommen. Ein ungarischer Erstligist, ein rumänischer Zweitliga-Klub, eine Ausleihe zur Reserve von West Ham United, zurück nach Ungarn, ein Intermezzo in Italiens sechster Liga, wieder Ungarn und zwischendurch ein erfolgloses Probetraining bei Hansa Rostock. Unterm Strich sechs Vereine in sechs Jahren – Bajner hat die Vita eines Wandervogels. Dabei ist er keineswegs extravagant. Er sei ein „sehr ruhiger, zurückhaltender Typ“, findet Marcel Schmelzer, der sich im Trainingslager mit dem Ungar ein Zimmer teilt.
Der ganz große Traum
Nachdem er im September 2012 seinen Vertrag beim ungarischen Erstligisten Bodajk FC Siofok gekündigt hatte, verpflichtete ihn der BVB II, der durch die Ausfälle von Marvin Ducksch und Erik Durm Handlungsbedarf in der Offensive hatte. Bajner erzielte in acht Spielen vier Treffer und trug seinen Teil dazu bei, dass die Mannschaft von David Wagner in der Restrunde hoffnungsfroh in den Kampf um den Klassenerhalt ziehen kann.
Dass er über einen guten Torriecher verfügt, bewies er gleich in seinem ersten Einsatz bei den Profis. Im Testspiel gegen Albacete Balompie erzielte er mit einem sehenswerten Lupfer den 3:1-Endstand. Lernen muss er derweil noch die deutsche Sprache. „Ich habe erst eine Stunde Unterricht gehabt. Ich hoffe aber, dass ich schnell besser werde.“
Ein Ziel, dass ihn auch jeden Tag auf dem Platz antreibt. Er möchte mittelfristig im Profibereich Fuß fassen – gerne natürlich in Dortmund. „Es ist mein Traum, für den BVB in der Bundesliga zu spielen“, sagt er. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Doch einstweilen scheint der Wandervogel wider Willen bei Borussia Dortmund gut gelandet zu sein.