Es gibt dieses berühmte Foto aus dem Meisterjahr 2002. Nach einem Torerfolg jubeln Tomas Rosicky, Ewerthon und Jan Koller vor der Südtribüne, neben den Stars ist ein Balljunge zu sehen, 12 oder 13 Jahre alt. Mit leuchtenden Augen trommelt er gegen eine Werbebande und aus seinem Gesicht spricht nicht nur Begeisterung, sondern Bewunderung, wohl auch echte Liebe zum BVB.
Inzwischen ist aus dem Balljungen von einst selber ein Star geworden, der wohl beste Spieler, den die Bundesliga in der vergangenen Saison zu bieten hatte. Ein Nationalspieler, der selber verehrt und bejubelt wird. Im schwarz-gelben Trikot freilich wird er in der kommenden Saison nicht mehr auflaufen. Denn dann spielt Nuri Sahin für Real Madrid.
So groß dieser Schritt auch ist für Dortmunds Nummer acht, für viele Fans war die Nachricht von Sahins Wechsel nach Madrid ein echter Schock. Zumal der spanische Rekordmeister aufgrund einer Klausel in Sahins Vertrag lediglich zehn Millionen Euro für den Regisseur bezahlen musste, obwohl dessen Marktwert um einige Millionen höher einzuschätzen ist. Nachdem Mats Hummels den Bayern eine klare Absage erteilt hatte, Marcel Schmelzer seinem Berater dem Vernehmen nach sogar untersagt hatte mit anderen Klubs zu verhandeln, machte der Wechsel Sahins allen Anhängern auf einen Schlag klar: Auch in Dortmund gelten weiterhin die branchenüblichen Gesetze und irgendwann traten Werte wie Vereinstreue, Leidenschaft und Liebe in den Hintergrund.
Den 22-Jährigen für seinen Wechsel zu verdammen, das war aber allen Beteiligten schnell klar, wäre mehr als ungerecht gewesen. Zumal der Regisseur jeder Zeit ehrliche und offene Worte gefunden hatte. Als er bei seiner Verabschiedung mit verdächtig funkelnden Augen sagte: „Ich bedanke mich bei allen Fans, die mich auf dem Weg begleitet haben. Ich werde immer Fan von Borussia Dortmund bleiben, das kann ich euch versprechen und ich werde euch alle vermissen“, da gab es keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln.
Tränen hatte es auch schon bei der offiziellen Bekanntgabe seines Wechsels gegeben. Selten einmal war es so voll im Presseraum der Borussia gewesen, wo sich Journalisten aus Deutschland, der Türkei und Spanien die Klinke in die Hand gaben und den Worten des gebürtigen Lüdenscheiders lauschten, der schließlich sagte: „Ausschlaggebend war nicht das Geld, es waren rein sportliche Gründe, diese ganz besondere Mannschaft und diesen besonderen Klub zu verlassen, aber ich wollte auch mein Ziel von einer Weltkarriere, auf die ich gehofft und für die ich gearbeitet habe, vorantreiben.“
Er unterstrich damit: So überragend sich Sahin auf dem Rasen präsentiert, so selbstbewusst gibt sich der einst so schüchterne Junge auch neben dem Platz. Schon vor der Saison stellte er dies unter Beweis, als er befand, „von der Leistung her nicht mehr weit entfernt von Bastian Schweinsteiger“ zu sein. Dass er sich damit nicht nur Freunde machte, zumal kurz nach der Weltmeisterschaft, bei der „Schweini“ groß auftrumpfte, war klar. Intern wurde Sahin geraten, solche Vergleiche möglichst zu unterlassen, außerhalb teilweise als Überheblichkeit ausgelegt. Richtiger wäre es gewesen, diese Sätze als Ausdruck seines Ehrgeizes zu begreifen. Der junge Mann ist Perfektionist.
Umso bitterer war es für ihn natürlich, dass er ausgerechnet die letzten Spiele von der Tribüne verfolgen musste, nicht eingreifen konnte, als sich seine Teamkollegen für eine überragende Saison belohnten, die Nuri Sahin geprägt hatte wie kein anderer Spieler. Sechs Tore gingen schließlich auf sein Konto, dazu acht Vorlagen, er war von den Kollegen zum besten Spieler der Hinrunde gewählt worden und prägte das Spiel des BVB auch in der Rückserie maßgeblich.
„Man lässt nicht einfach zehn Jahre so liegen und man sieht sich immer zweimal“, sagte Sahin noch bei seiner Verabschiedung.
Vielleicht ja schon nächste Saison in der Champions League.