Herr Freitag, wie kam die Zusammenarbeit mit Schalke 04 zustande? Felix Magath hatte schon in Wolfsburg einen Koch an seiner Seite und legt neben seiner Trainingsarbeit auch viel Wert auf eine gesunde Ernährung der Spieler. Seppo Eichkorn hatte mich vor einem halben Jahr vorgeschlagen, dann habe ich im November 2009 mit meinem Team ein Probekochen in den Räumlichkeiten im Medic.os durchgeführt.
Wie bereiten Sie den Schalker Profis leckere Mahlzeiten zu? Das meiste produzieren wir in meiner Küche im ‚Goldenen Anker’, bringen dann Kochplatten mit nach Schalke und bereiten das Essen frisch vor den Spielern zu. Wenn zweimal in der Woche Training ist, wollen die Spieler gescheit frühstücken und Mittag essen. Das ist auch gut für die Stimmung. Wenn die Spieler zu mir kommen und sagen: Hey, das war super lecker, dann haben beide Seiten etwas davon.
Wie viel Prozent der Leistung kann eine gesunde Ernährung im Profifußball ausmachen? Das ist eine nicht messbare Größe, aber es ist hundertmal besser, als wenn sie mittags in Hektik Fast Food zu sich nehmen . Ich stelle mir das als Spieler so vor, dass ich morgens trainieren gehe und dann mit einem sauberen Essen belohnt werde. Ich denke, dass unsere Arbeit daher eher moralisch etwas ausmacht. Dass es für den Körper gesünder ist, gute, frische Sachen zu sich zu nehmen, versteht sich ja von selbst.
Das ‚essnullvier’ ist im Medic.os AufSchalke integriert und bietet unter anderem ein Mittagsbüffet an. Gibt’s da kein Stress im Haus? Nein, denn wir kochen nur ein- bis zweimal in der Woche für die Mannschaft und was wir auftischen, unterscheidet sich doch schon von dem Angebot im ‚essnullvier’. Wir machen kein Büffet und nichts, was lange aufgewärmt wird. Das wichtige ist doch, dass die Inhaltsstoffe erhalten bleiben, einen Kohl sollte man zum Beispiel nur kurz anschwitzen, sonst wird er labberig.
Worauf fahren die Spieler besonders ab, was isst Kevin Kuranyi am liebsten und was schmeckt Manuel Neuer gar nicht? Die Erfahrung, dass die Jungs etwas total daneben fanden, habe ich noch nicht gemacht. Wir schmecken ja alles vorher ab und sind natürlich selbst verwöhnt. Kevin Kuranyi zum Beispiel fährt total auf Milchreis ab, aber wir haben wirklich drei, vier Anläufe gebraucht, um ihm den perfekten Milchreis zu kochen. Er war auch der erste, der gesagt hat, warum steht da kein Tunfisch am Salatbüffet. Ich bin kein Verfechter von Dosenfood, daher haben wir einen hochwertigen Tunfisch gekauft und alle waren zufrieden.
Heißt es nicht immer, Spitzensportler bräuchten viele Kohlehydrate und würden daher immer nur Nudeln essen? Das schon, aber nicht mittags, wenn ich mit meinem Team zwischen zwei Einheiten eine leichte Küche auftische. Die Spieler kommen ja direkt vom ersten Training rein, sind richtig ausgepowert und essen dann nicht viel. Salat geht immer, dazu bieten wir immer frisch zubereitetes Fleisch und Fisch an. Letztens habe ich mal einen argentinischen Wasserbüffel gemacht. Da haben die Jungs erst einmal komisch geguckt, weil sie das nicht kannten, aber nachher war alles weggeputzt. Und alle Spieler stehen merkwürdigerweise auf dickliche Suppe, zum Beispiel Kartoffelsuppe.
Spitzenkoch für Königsblau: Björn Freitag. (RS-Foto: Buschmann)
Dänemark soll 1992 auf der Basis von Hamburgern und Pommes Europameister geworden sein! Ich habe das auch nur gehört, kann es mir aber nicht vorstellen. Wenn, dann waren sie vielleicht in der Zeit des Turniers zweimal Hamburger essen und dann wurde das groß aufgebauscht.
Was mag Felix Magath, der Sie schließlich engagiert hat, am liebsten? Er ist kein großer Esser, steht aber voll auf unser Bircher Müsli. Das ist zum Frühstück ohnehin der Top-Renner. Ich hätte früher so ein klebriges Zeug nicht angerührt, die Haferflocken müssen schließlich abends vorher eingeweicht werden. Aber wir haben einen guten Weg gefunden, das Müsli mit Nüssen und Äpfeln sehr schmackhaft gemacht. Felix Magath macht sich morgens immer einen Riesenteller davon. Dazu gibt es frische Brötchen und Brote von Malzer, die ich schon um sieben Uhr hole.
Haben die Brasilianer andere Wünsche als die Deutschen? Na ja, bei den Brasilianern gab es vorher meistens das Problem, dass sie eher zum Süßen wie Schokobrötchen oder Buttercroissants gegriffen haben. Das gibt es bei mir nicht. Natürlich habe ich immer ein paar weiße Brötchen dabei, aber der Anteil an Vollkornbrötchen überwiegt. Ein Hit sind die Möhrenbrötchen, die essen eigentlich alle gern.
Sie haben die Mannschaft im Januar ins Trainingslager nach Spanien begleitet. Werden Sie im Sommer auch wieder mit der Truppe unterwegs sein? Das ist so angedacht. Und wenn wir international spielen, dann soll ich auch mit dabei sein. Zwar bucht der Klub immer ein gutes Hotel für die Mannschaft und den Trainerstab, aber das bedeutet nicht, dass das Essen auch gut ist. So war es auch in Chiclana, da habe ich erst einmal die ganzen Konserven aus der Küche verbannt und vernünftiges Fleisch und frischen Fisch gekauft. Dann sind wir abends immer eine halbe Stunde vor der Mannschaft aus Düsseldorf essen gegangen und haben die frischen Sachen auf den Grill geschmissen. Als die Fortunen dann reinkamen, haben sie gefragt: ‚Was macht denn der vom Fast-Food-Duell da?’ Ich habe ihnen auch noch schnell ein Rindersteak aufs Rost geschmissen, da waren sie auch zufrieden.
Die meisten Spieler essen, sofern sie liiert sind, zuhause bei Ihren Frauen. Müssten die nicht auch zu Ihnen in die Kochschule? Das wäre der nächste Step, den Spielern zu sagen, was sie abends essen sollten und den Frauen Rezeptkarten an die Hand zu geben. Auch ein Kochkurs mit den Spielerfrauen wäre von Vorteil, damit die Küche nicht zu einseitig ist und die Jungs sich ihr Bedürfnis nicht über Nahrungsergänzungsmittel holen. Jeden Abend einen Teller Nudeln, das ist es nicht.
In Christian Frank hat Schalke jahrelang einen Ökotrophologen beschäftigt. Würden Sie einen Ernährungswissenschaftler als Unterstützung an Ihrer Seite begrüßen? Das wäre sehr hilfreich, um die Spieler optimal zu versorgen. Es ist wichtig, die jungen Menschen an eine natürliche Küche heranzuführen. Die ganzen Zusatzmittel wie Geschmacksverstärker haben in der Ernährung nichts zu suchen und verderben nur den Geschmack. Leider kommt diese Erkenntnis bei zu wenigen Leuten an.
Dabei herrscht doch rund ums Kochen ein absoluter Boom. Im TV laufen auf allen Kanälen Koch-Shows, unter anderem mit Ihnen im ‚Fast-Food-Duell’ auf Kabel Eins. Ist der Trend zu McDonald’s und Convenience-Produkten nicht ein Widerspruch zur Popularität der Malzers und Lafers dieser Welt? Das sehe ich nicht so, im Gegenteil. Früher gab es Aerobic-Sendungen, bei denen keiner mitgemacht hat. Bei Kochsendungen ist es etwas anderes, da live gekocht wird und die Leute vor dem Bildschirm die Gerichte eins zu eins mitkochen können. Es werden wieder hochwertige Küchen bestellt und normale Supermärkte wie Edeka immer größer. Die haben plötzlich Wachteln im Angebot, weil die Leute es im Fernsehen gesehen haben. Man merkt es auch bei mir im Restaurant, dass die Leute Ahnung haben von dem, was da aufgetischt wird. Man kann keinen verarschen und behaupten, meine Gambas kommen aus Spanien, denn sie wissen schon, dass es eher irgendwelche Reisfelder in Malaysia sind.
Welche Spieler sind Stammgäste bei Ihnen im ‚Goldenen Anker’? Noch keiner, aber ich denke, in Zukunft wird auch der eine oder andere Spieler zum Essen kommen, das muss sich langsam entwickeln. Ich bin da aber sehr verschwiegen, denn in der Top-Gastronomie heißt ein Grundsatz, dass man nie über seine Gäste spricht. Als ich noch ein Kind war, hat mal die gesamte Schalker Mannschaft hier gegessen. Das muss mehr als 30 Jahre her gewesen sein, unter anderem war Klaus Fischer dabei. Da gab es ein Riesen-Tohuwabohu in der Stadt. Wir müssten die Rolläden herunterlassen, damit die Spieler ungestört blieben. Und als Rudi Assauer noch in Dorsten lebte, war er oft im ‚Goldenen Anker’.
Sind Sie früher selbst auf Schalke gegangen und haben den Königsblauen zugejubelt, ehe es an den Herd ging? Ich war schon immer Schalke-Fan und bin sogar in Gelsenkirchen geboren, ehe wir nach Dorsten gezogen sind, Ich konnte aber leider aus zeitlichen Gründen selten ins Stadion gehen. Das Wochenende ist nun einmal die Hauptzeit unseres Restaurants. Seit dieser Saison habe ich immerhin Sky abonniert und den Spielern gesagt: ‚Wer ein Tor schießt, darf sich ein Gericht wünschen.’
Wie kommt es, dass in dem ‚Goldenen Anker’ und dem Restaurant Ihres Kollegen Frank Rosin gleich zwei Sterneköche im kleinen Dorsten auftischen? Wir sind beide in Dorsten aufgewachsen und der Stadt treu geblieben. Ich habe vor neun Jahren, als ich meinen Michelin-Stern erhalten habe, den ‚Goldenen Anker’ von meinen Eltern übernommen und bis auf den traditionsreichen Namen alles im Restaurant verändert. Frank Rosin und ich waren früher zusammen bei den ‚jungen Wilden’ und ich denke, dass uns die Konkurrenz immer gut getan hat. Wenn der eine seine Einrichtung modernisiert, hat der andere neues Personal, und so weiter. Ich glaube, dass auch kein Gast überlegt, ob er heute zu Rosin oder Freitag geht. Uns fehlt leider in Dorsten ein Top-Hotel mit vier oder fünf Sternen, sonst hätten wir sicher mehr Tourismus in der Stadt. Aber wir merken schon, dass viele Leute von weiter weg wegen der Restaurants nach Dorsten kommen.
Als Koch des neuen Deutschen Meisters wären es sicher ein paar Leute mehr... Ich hoffe, dass wir international spielen, vom Rest kann man nur träumen.
Zur Person Björn Freitag, geboren 1973 in Gelsenkirchen. Lernte die Kunst zu kochen im Schachener Hof in Lindau am Bodensee. Kocht seit 1997 im „Goldenen Anker“ und übernimmt diesen nach dem Tod seines Vaters. War Mitglied der „Jungen Wilden“. Seit einigen Jahren ist er für diverse TV-Anstalten als Fernsehkoch tätig. Zwei Jahre kochte er bei tm3 in der Sendung „Echt Scharf“. Zurzeit ist er im WDR mit „daheim & unterwegs“ und bei VOX mit „Fit for Fun“ auf Sendung. Seit dem 31. März 2009 schwingt der Spitzenkoch abwechselnd mit seinen Kollegen Frank Rosin und Ole Plogstedt beim "Fast Food-Duell" auf Kabel 1 den Kochlöffel gegen Pizzaflitzer & Co. Restaurant Goldener Anker, Lippetor 4, 46282 Dorsten Telefon: (02362) 2 25 53.