Es war ein Bild mit Symbolcharakter: Die Borussia hat eben beim deutschen Meister VfL Wolfsburg mit 3:1 gewonnen und Kevin Großkreutz, der „Dortmunder Junge“ im BVB-Trikot, stand feiernd auf dem Zaun vor dem in schwarz und gelb gefärbten Gästeblock in der Volkswagen Arena. Dortmunds Keeper Roman Weidenfeller saß dagegen auf dem kalten Rasen - und blickte mit einer Mischung aus Freude und Skepsis auf den jubelnden Großkreutz.
„Das war sicherlich nicht ungefährlich, wie er da mit den Stollen auf dem Blech stand. Ich war in der Sorgfaltspflicht, einer muss ja auf die jungen Wilden aufpassen. Nicht, dass sich da noch jemand den Hals bricht“, schmunzelt der Torhüter, der zwar noch nicht die für viele Menschen beängstigende Altersgrenze von 30 Jahren überschritten hat, aber dennoch zu den Älteren im Kader von Dortmunds Coach Jürgen Klopp zählt. Nicht umsonst ist Weidenfeller in seinem achten Jahr in Dortmund Kapitän - wenn auch nur ersatzweise, während der eigentliche Chef Sebastian Kehl verletzt fehlt.
Der 29-jährige Schlussmann kennt das Fußballgeschäft mittlerweile in- und auswendig. Er weiß, dass nicht immer alles so schlecht ist, wie es die Medien und Fans manchmal darstellen. Und er weiß auch, dass das auch für die positiven Seiten gilt. Von einer letztlich überragend gelaufenen Hinserie - nicht nur in Anbetracht des schwachen Starts - möchte Weidenfeller deshalb auch (noch) nicht sprechen, schließlich steht noch das letzte Spiel gegen den SC Freiburg an.
„Stand heute ist die Vorrunde gut gelaufen. Doch wir haben noch ein Spiel vor uns. Danach können wir gerne noch einmal über die Vorrunde sprechen“, bietet der Ex-Lauterer an: „Aber vorher möchte ich gegen den SC noch unbedingt gewinnen.“
Weidenfeller hat in seiner Karriere schon häufiger die Erfahrung machen müssen, dass man auch noch im letzten Spiel eines Jahres einiges verlieren kann - zuletzt am 34. Spieltag der Vorsaison beim 1:1 in Mönchengladbach, als dem BVB die Qualifikation für die Europa League in der letzten Minute aus der Hand gerissen wurde. „Ich habe meine Lehren daraus gezogen und freue mich nicht mehr zu früh über etwas“, betont der Torhüter, der im gesamten Team diesen Effekt ausgemacht hat: „Dass wir in Wolfsburg nach dem 1:3 nicht die Kontrolle verloren haben, spricht für unsere Mannschaft.“
Genau wie Klopp warnt auch Weidenfeller davor, Freiburg in der ganzen Euphorie um den Überraschungssieg in Wolfsburg und den 100. Vereinsgeburtstag am kommenden Samstag zu unterschätzen. „Wir haben am Mittwoch unsere feinen Anzüge abgegeben. Am Samstag kommen wir ganz normal im Sportdress ins Stadion“, bemüht Weidenfeller die Bildsprache, um jeden Zweifel an der richtigen Fokussierung der Borussen abzuwenden.
Anzüge und Krawatten gibt es gegen 17.20 Uhr zurück, der BVB könnte dann bei einem optimalen Verlauf des Spieltags sogar auf Rang vier stehen. Es wäre nur eine Momentaufnahme, doch zugleich das beste Geburtstagsgeschenk, das sich die BVB-Fans vorstellen könnten. „Wir müssen unsere guten Leistungen jetzt noch einmal abrufen“, fordert Weidenfeller deshalb, bevor er die strenge Fassade für einen Moment fallen lässt: „Wenn wir das schaffen, dann können wir auch alle auf den Zaun klettern.“