Seit vorletztem Spieltag ist Schalke amtierender Doppel-Derbysieger. Schalke gewinnt auch in Frankfurt. Schalke ist derzeit Tabellenzweiter, aber nach wie vor kein selbsternannter Meisterschaftsanwärter. Schalke bleibt hinsichtlich der formulierten Ziele weiterhin bescheiden. Die Marschroute und unsere Erwartungen bestimmen wir ganz alleine, nicht die staunende Öffentlichkeit. Kurzum, wem etwas an Schalke liegt, dem macht das neue Schalke Spaß. Ein Ende der königsblauen Freuden ist selbst bei erfolgloserem Abschneiden in den kommenden Wochen nicht in Sicht.
Und damit können wir uns auch schon den weitaus weniger spaßigen Dingen des Zeitgeschehens widmen. Denn wie im Vorfeld des großen Derbys hat jüngst ein erneuter Aufruf an uns Fußballfans die Diskussionen um Gefahren und Kontrollen am Rande von Sportveranstaltungen angeheizt. Die Überbringer der offiziellen Botschaft sind die Fanbeauftragten aller deutschen Lizenzvereine. Sie lassen uns wissen, mit welchem ordnungsstrategischen Vorgehen wir Fußballanhänger seitens der Verbände und der Politik zu rechnen haben, sofern sich künftig nicht jeder einzelne Stadionbesucher an die notwendigen Spielregeln hält. Anlass war das Verhalten Nürnberger und Dortmunder Fans, die bei den jeweiligen Auswärtsspielen ihrer Mannschaften in Bochum und auf Schalke nicht davon absehen konnten oder wollten, im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Feuer zu spielen. Sprich, es wurden Knallkörper, Bengalos und Magnesium ge- und entzündet, wobei dieses Treiben in Bochum zu Verletzten geführt hat und auf Schalke leicht hätte führen können. Endlich Zeit, die ultimative Bestrafungskeule auszupacken?
Der nicht erst seit gestern angedachte Maßnahmenkatalog klingt wie die Notstandsgesetzgebung eines sich von Anarchie akut bedroht fühlenden Staates: Meldeauflagen und somit faktisch Reiseverbote, Stadtverbote, Spürhunde, Scanner, polizeiliche Überwachung sämtlicher Fanbewegungen und nicht zuletzt sogenannte „Geisterspiele“, deren absurde Szenerie quasi der einer nächtlichen Ausgangssperre gleichkäme. Das Muster ist hinlänglich bekannt. Gut gegen Böse. Gut soll vor Böse geschützt werden. Was im Zuge dieser plumpesten aller Differenzierungen nicht erfassbar ist, wird weg- und ausgeschlossen. Der Zeitgeist will es offensichtlich so und schreit nach immer rigoroseren Konsequenzen, ungeachtet der Frage, wieviel von der Freiheit des Einzelnen noch übrig bleibt, wenn alles Handeln ausschließlich einem übersensibilisierten Sicherheitsdenken folgt, von der unangemessenen Radikalisierung eines anwendbaren Bestrafungssystems ganz abgesehen.
Wohlgemerkt, wir reden hier von Fußball. Wir reden von einem Sport, der überhaupt erst durch die Emotionen seiner Anhängerschaft zu dem gesellschaftlichen Ereignis heutiger Prägung werden konnte. Wie kann man da überrascht sein, dass sich der Querschnitt aller denkbaren menschlichen Charaktereigenschaften auch durch die Fußballstadien zieht, inklusive handverlesener Verfehlungen, die einzelne Dummköpfe schon immer begangen haben und auch immer begehen werden? Wie unfähig und weltfremd müssen Verbände und Politiker sein, denen nichts anderes in den Sinn kommt, als auf menschliches Fehlverhalten mit brachialer Gegengewalt zu reagieren?
Da fällt mir zu guter Letzt noch ein, dass meine Eintrittskarte der mittleren Preisklasse für das Spiel der Schalker in Hamburg schlappe 55 Euro kostet. Vielleicht sollte man an dieser Stelle mal genauer hinterfragen, welche Wirkung ein solcher Wucher auf das Verhalten von Fans haben kann. Andererseits schafft man sich so sein Idealpublikum, ein paar zufrieden lächelnde Politiker inmitten zahlungskräftiger und linientreuer Fähnchenschwenker. Im schlimmsten Fall drohen ja lediglich Geisterspiele, wie sie sich selbstgerechte Funktionäre aber ohnehin als ultima ratio wünschen – wegen der allgemeinen Sicherheit, versteht sich.