Kein Platz für große Gefühle: Ein freundschaftlicher Handschlag im Kabinengang - dann trennten sich die Wege von Joachim Löw und Jürgen Klinsmann schon wieder. Rund 30 Meter trennten die beiden Hauptdarsteller anschließend auf ihren Bänken voneinander. Erst nach dem Abpfiff umarmten sich beide Coaches, die pitschnass aufgrund der heftigen Regenfälle in Recife geworden waren, nach dem 1:0-Erfolg der DFB-Auswahl herzlich.
"Ich denke schon, dass es etwas Besonderes war. Bei einer WM so aufeinanderzutreffen, kommt ja nicht mehr vor", sagte Klinsmann bei der Pressekonferenz: "Für uns stand viel auf dem Spiel, für uns war es das Spiel schlechthin. Jogi war zu 95 Prozent weiter, er konnte ruhiger sein. Es wurde viel Wind gemacht über die Monate. Ich bin froh, dass das jetzt abgehakt ist. das beschäftigt auch die Familie."
Zuvor war jede Bewegung der beiden Trainer beim Gruppen-Finale zwischen Deutschland und den USA von den Kameras eingefangen worden, auch als Klinsmann beide Nationalhymnen mitsang. Während der Partie würdigten sich die beiden dann kaum eines Blickes.
Löw, mit schwarzem Hemd und schicken Schuhen gewohnt in Schale geworfen, verfolgte das Geschehen zunächst meist ruhig von der Bank aus - Klinsmann tigerte dagegen von Beginn an in seiner Coaching-Zone auf und ab und trieb sein Team mit blauer US-Kappe auf dem Kopf unentwegt nach vorne.
Vor der Partie waren die beiden Kumpels bemüht gewesen, die ganze Hysterie um ihr Wiedersehen herunterzuspielen. "Wir können uns beide völlig freimachen von diesen Dingen. Dieser Showdown ist ein schönes Thema für die Medien", sagte Löw.
Dennoch kamen Löw und Klinsmann nicht umhin, die immer wiederkehrenden Fragen zu ihrer Beziehung zu beantworten. Klinsmann sprach von einer "tiefen Freundschaft mit gegenseitiger Bewunderung". Man habe "ein Vertrauensverhältnis zueinander, wir haben uns zwei Jahre hervorragend und intensiv ergänzt", ergänzte Löw in Bezug auf die gemeinsame Zeit beim Deutschen Fußball-Bund (DFB).
Von 2004 bis nach dem Sommermärchen 2006 bestimmten Klinsmann als Bundestrainer und Löw als sein Assistent die Geschicke der deutschen Nationalmannschaft. Davon zehre der deutsche Fußball "noch heute", lobte Nationalspieler Per Mertesacker unlängst.
Seitdem haben Löw und Klinsmann den Draht zueinander nie verloren. Immer wieder trafen sie sich zum Essen, hielten Telefon- oder SMS-Kontakt, um viel über Fußball zu philosophieren, aber auch über Privates zu reden.
Seit der Auslosung im Dezember, als die DFB-Auswahl mit den USA in eine Gruppe gelost wurde, stockte die Kommunikation jedoch. In den vergangenen Wochen kam sie ganz zum Erliegen. Da habe es keinen Kontakt mehr gegeben, "auch keine SMS", sagte Klinsmann vor einem der "ungewöhnlichsten Spiele meines Lebens". Jeder würde sich "auf seine Aufgabe konzentrieren, danach können wir uns dann alle umarmen", ergänzte der Weltmeister von 1990.
Und spätestens nach der WM soll alles wieder seinen normalen Verlauf nehmen. Dann werde man "wieder sprechen und die Familien werden sich sehen", unterstrich Klinsmann. Und egal, wie das Spiel ausgehen würde, sagte Löw schon vor der Partie, "unsere Freundschaft wird in keiner Weise leiden".
Dass es vor allem für Klinsmann "etwas ganz Besonderes" war, gegen sein Heimatland anzutreten, musste er nicht extra betonen: "So etwas gibt es vielleicht nur einmal im Leben."
Zumal Klinsmann nicht nur zu seinem Nachfolger eine enge Beziehung hat. In Bastian Schweinsteiger, Kapitän Philipp Lahm, Lukas Podolski, Mertesacker und Miroslav Klose stehen immerhin noch fünf Profis im aktuellen deutschen Kader, die unter Klinsmann bei der WM 2006 den wohl emotionalsten Moment ihrer Karriere erlebt hatten.