In schöner Regelmäßigkeit bekommt der manchmal doch recht eintönige Fußballsprech zum neuen Jahr einen ganz speziellen Einschlag. Wenn von fünf, sechs guten Fußballern, die jede Mannschaft hat, unmöglicher Prognose und Motivation für die Rückrunde die Rede ist, kann die Hallenrunde nicht weit sein. Auch wenn das mit den Favoriten beim Indoorkick stets so eine Sache ist, werden im Favoritenfeld jedoch häufig die üblichen Verdächtigen angeführt.
Doch wer steht denn nun unter Titel-Verdacht? Im Essener Amateurfußball müssen sich die Landesligaklubs als klassenhöchste Vertreter zwangsläufig mit dieser Rolle herumschlagen. Die Arrivierten selbst wollen die alte Leier jedoch mitunter gar nicht hören und flüchten sich in Understatement. Und das geht so: Der FC Kray etwa ist das Überraschungsteam der laufenden Landesliga-Serie und überwintert als Spitzenreiter.
Dass seiner Mannschaft daher vermeintlich folgerichtig Titelambitionen angedichtet werden, kann Trainer Dirk Wißel nur belächeln. „Ich weiß ja nicht, was die Leute über die Feiertage genommen haben“, scherzt der Ex-RWE-Profi, „im Zweifelsfall würde ich einen Arztbesuch anraten.“ Wißel geht es ohnehin um mehr als schnöden Erfolg. Hauptsache schön! lautet das Credo des Krayer Trainers. „Auf dem Platz wollen wir erst erfolgreich und dann attraktiv spielen. In der Halle ist es umgekehrt.“ Die Mannschaft, die beim Turnier von Co-Trainer Lars Krüger betreut wird, soll aber doch immerhin die Endrunde erreichen. „Aber das ist kein Zwang“, bemerkt Wißel. „Vorrang hat ganz klar die Vorbereitung auf die Rückrunde.“
Eine Vorgabe, die der Ligakonkurrent vom anderen Ende der Tabelle lebt wie kein zweites Team. Der SV Burgaltendorf konzentriert sich voll auf die Restrunde und tritt mit einer U23-Auswahl an. „Das werden ein, zwei Jungs aus der Ersten Mannschaft, die im letzten Jahr aus der Jugend gekommen sind, sowie Spieler aus der Zweiten und der A-Jugend sein. Alles Eigengewächse“, berichtet Coach Jörg Oswald.
Bleibt im Essener Süd-Osten noch der ESC Rellinghausen als Mitfavorit. Dafür spricht der überraschend starke vierte Platz in der Landesliga. Zudem legt Trainer Rolf Gramatke traditionell viel Wert auf die Stadtmeisterschaften und weiß, wie man den Titel gewinnt. Dies gelang ihm zuletzt mit den Sportfreunden Altenessen 18.
Wenn sich die Großen mit der Favoritenrolle so schwer tun, wittern natürlich die klassentieferen Klubs ihre Chance. Der SC Werden/Heidhausen hat bereits vorgeführt, wie man auch als Bezirksligist den Titel holen kann. Zumindest die Qualifikationsrunde sollte die Mannschaft von Trainer Ralf Zils gegen die Kreisliga-Konkurrenz wohl überstehen. Aber auch die Sportfreunde Niedwenigern – in der Bezirksliga 4 immerhin Dritter – oder die nur zwei Plätze schlechteren Kicker vom Heisinger SV gehen mit Außenseiterchancen an den Start.
Als Geheimfavorit muss sich derweil ausgerechnet sogar ein B-Ligist handeln lassen. Der mit zahlreichen landesligabewährten Akteuren gespickte FC Kettwig 08 läuft in der Liga längst außer Konkurrenz und sieht das Kräftemessen mit den Größen des Essener Amateurfußballs daher als willkommene Herausforderung. „Wir freuen uns wahnsinnig“, gesteht Spielertrainer Markus Dymala. „Wir müssen nur aufpassen, dass wir trotz aller Euphorie mit der nötigen Konzentration zur Sache gehen.“ Von der Favoritenrolle will Dymala zwar nichts wissen, „aber unser Ziel ist schon die Zwischenrunde am Hallo.“ Um dann vielleicht sogar die üblichen Verdächtigen zu ärgern...