Es ist einfach unfassbar, welche Fehleinschätzungen die diversen Schalker Vereinsführungen in den vergangenen Jahren gemacht haben. Wer Kaan Ayhan beim 2:1-Sieg der Türkei über Österreich gesehen hat, der kann eigentlich nur den Kopf schütteln, wie man ein solches Mentalitätsmonster auf Schalke gehen lassen konnte. Denn freiwillig, das hatte der gebürtige Gelsenkirchener und bekennende Schalke-Fan Ayhan seinerzeit mehrfach gesagt, wollte er S04 damals nicht verlassen.
Beim Einzug ins Viertelfinale der EM gelang Ayhan mit der türkischen Nationalmannschaft sein Meisterstück. Sicher, die gefeierten Spieler am Dienstagabend waren der zweifache Torschütze Merih Demirel und Torwart Mert Günok. Aber wie Ayhan das Team als Ersatzkapitän für den gelbgesperrten Hakan Calhanoglu dirigierte und sich abwechselnd als Verteidiger in der Abwehr und defensiver Mittelfeldspieler in Personalunion in jeden Ball warf, das war schon große Klasse. Und Leidenschaft pur.
Und das kam keineswegs überraschend. Denn das sind genau die Tugenden, die er auch schon in seiner Jugend bei den Königsblauen schon gezeigt hat. Nicht umsonst hatte ihn Schalkes Erfolgstrainer Norbert Elgert in der U19 zum Kapitän bestimmt und als Kopf und verlängerten Arm seiner Meistermannschaft von 2012 bezeichnet.
Aber Schalke, das zugegeben sportlich damals noch in anderen Sphären aktiv war, fehlte die Geduld mit dem jungen Ayhan. Einige Stockfehler und etwas fehlende Geschwindigkeit in ganz frühen Jahren wurden ihm zum Verhängnis. Jetzt spielt Ayhan beim türkischen Meister Galatasaray Istanbul und hat seine internationale Klasse längst unter Beweis gestellt.
"Wir müssen uns dafür nicht schämen", sagte er nach dem unerwarteten Triumph gegen Österreich im türkischen Sender TRT. Die ganze Türkei könne stolz auf das bereits Erreichte sein. Mit dem Überstehen der Gruppenphase, das die Türkei als Ziel ausgegeben hatte, sei auch etwas Druck vom Team abgefallen, so dass man gegen Österreich befreit habe aufspielen können und seine wahre Stärke gezeigt habe. Auch habe es dem Team in die Karten gespielt, dass Österreich als Favorit ins Spiel gegangen sei.
Nicht ausgeschlossen, dass am Samstag im Viertelfinale gegen die Niederlande ein weiteres Meisterstück folgt.