Startseite

Der EM-Blog (Teil 8)
Ich sah das Licht

Der EM-Blog (Teil 8): Ich sah das Licht
FC St. Pauli
FC St. Pauli Logo
15:30
Borussia Dortmund Logo
Borussia Dortmund
18+ | Erlaubt (Whitelist) | Suchtrisiko | Hilfe unter www.buwei.de | -w-

Ich bin prinzipiell dagegen, während großer Turniere irgendwelche anderen Abendveranstaltungen zu planen.

Es ist mir generell egal, wo ich die Spiele sehe, ich möchte sie nur sehen - und das tendenziell ungestört. Aber manchmal gerät man doch in die Bredouille. So war es gestern. Der Essener Klartext-Verlag feierte seinen 25sten Geburtstag auf der Zeche Zollverein mit einer großen Schar illustrer Gäste aus der Kultur- und Geschichtsszene des Ruhrgebiets. Dieses Milieu ist heute bei weitem vielköpfiger und subventionierter als das der Bergleute im Dienst. Ein Termin jedenfalls, den man gerne nutzt, um hier und da ein Schwätzchen zu halten. Nicht nur am Currywurst-Büffet. Die entscheidende Frage aber war: Wie konnte ich die Spiele sehen? Und warum musste gerade an diesem Abend die hochklassige Gruppe C kicken?

Das Drama um Italien: Verpasst!

Die erste Halbzeit des Dramas Italien – Rumänien verfolgte ich in einer Bochumer Kneipe, leidend, da ich aus ganz altruistischen Gründen (hatte einen ansehnlichen Betrag auf einen italienischen Sieg gesetzt!) mit der Squadra Azzurra zitterte. Da die Veranstaltung des Verlages um 19.00 Uhr angepfiffen wurde, und ich wusste, dass in einem Nebenraum das Spiel auf einer Leinwand gezeigt wurde, musste ich also schnell auf die Autobahn. Oh, A40, Du Stausame. Als ich nach hundert roten Ampeln in Essen endlich „auf“ Zollverein eintraf und mit meinen knirschenden Sonntagsschuhen die gefühlten 5.000 Meter vom Parkplatz zum Veranstaltungsgebäude hinter mich gebracht hatte, kam mir bereits ein Bekannter entgegen: „Und? Hast Du das Spiel gesehen? Diese Chancen der Italiener und wie der Buffon den herausgeholt hat?“ Ich atmete tief durch und seufzte. „Was für eine Dramatik! Gut, das ich rechtzeitig hier war, um das zu sehen“, resümierte er mit einem verzückten Lächeln. Wenn du schon ganz unten bist, gibt es immer noch einen, der noch einmal drauf tritt.

Es gab ja noch das zweite Spiel, aber es gab auch Reden, Gratulationen und Grußworte. Dazu kam ein „moralisches“ Dilemma: Sollte man sich hier, in dieser Umgebung der hehren Kultur und gläserschwingender AkademikerInnen, wirklich als unbelehrbarer Fußballabhängiger outen. Und was bringt diese Übertragung im Nebenraum – ohne Ton? Von der ersten Halbzeit sah ich etwa zehn Minuten. In Halbzeit zwei kamen durch die Schlange am kalten Büfett weitere zehn Minuten hinzu.

Traumfußball von Sneijder & Co.: Verpasst!!

Als ich mich endgültig entschloss, wenigstens die letzte halbe Stunde zu verfolgen, traf ich meinen Prof. von der Uni: „Herr Piorr, wir haben uns ja zehn Jahre nicht gesehen. Wie geht es Ihnen?“ Sollte ich meinem einstigen Mentor antworten: „Lieber Herr, lassen Sie uns das Wiedersehen auf zehn Jahre und 30 Minuten verlängern“? Beim Stande von 3:1 kehrte ich in den Nebenraum zurück. Resigniert ging ich zur Toilette. Ich machte Pipi und Wesley Sneijder das 4:1. Die Analyse von Netzer und Delling fiel ziemlich tonlos aus, wenigstens konnte ich die Tore sehen. Aber es war kein Trost, denn die Szenen kündeten von flirrendem Fußball-Zauber und brasilianischen Sambaklängen. Die offene Wunde schmerzte daraufhin noch viel mehr.

Am Ende des Abends ging es für einen Absacker in meine Stammkneipe. Die Bedienung polterte drauflos: „Hast du das wunderbare Spiel gesehen? Diese herrlichen Kombinationen, diesen Trick von van Nistelrooy“ - und, und, und… Meinem Eingeständnis folgte kein: „Schade, hier hast Du dein Bier“, sondern es brachte sie noch mehr ins Schwärmen. Gestenreich malte sie den magischen Abend aus. HALLO!? MEINT IHR WIRKLICH, DAS TUT DANN WENIGER WEH? Auf dem Heimweg schaltete ich das Radio ein. „Was für Spiele heute“, stöhnte der Moderator in den Äther. Ich nahm es gelassen hin und suchte Trost in dem Gedanken, dass ich dafür die kommenden beiden Partien ganz ungestört werde sehen können. Was steht eigentlich an? Spanien – Schweden und Russland – Griechenland. Für einen Augenblick wurde mir ganz Dunkel vor den Augen, im Kreisverkehr näherte sich ein Zwölftonner mit ungewöhnlich hohem Tempo von rechts. Ich sah nur noch das Licht.

Deine Reaktion zum Thema

Spieltag

Kreisliga B Kreis Bochum

1
2
3
4
5
1
2
3
4
5
1
2
3
4
5
Neueste Artikel