Statt den schon eingeschlagenen Weg zum europäischen Fußball-Gipfel kraftvoll weiterzugehen, machte die träge Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw beim 1:2 (0:1) gegen Kroatien sogar einen deutlichen Rückschritt.
Nach den Gegentoren durch Darijo Srna (24.) und Ivica Olic (62.) vom Hamburger SV und dem späten Anschlusstreffer von Lukas Podolski (79.) muss die deutsche Auswahl nun um den Einzug ins Viertelfinale zittern. Das entscheidende dritte Spiel in der Gruppe B findet am kommenden Montag (20.45 Uhr/live in der ARD) in Wien gegen Gastgeber Österreich statt.
Zu allem Überfluss sah der eingewechselte Bastian Schweinsteiger nach einer Tätlichkeit gegen Jerko Leko die Rote Karte (90.). Die Kroaten, die bei einer EM oder WM noch nie das zweite Gruppenspiel verloren, stehen nach ihrem EM-Auftakterfolg gegen Österreich (1:0) schon mit einem Bein in der K.o.-Runde.
Die DFB-Auswahl scheint nach dem verheißungsvollen Einstand freilich vom Weg abgekommen. Gegen die cleveren und konzentrierten Kroaten schienen die überzeugenden Gewinner des Auftaktspiels gegen Polen (2:0) innerhalb von vier Tagen das Fußballspielen verlernt zu haben. Von der eigenen Spielphilosophie war nichts zu sehen, statt dessen ließen sich die Deutschen das Spiel der Kroaten aufzwingen.
Erschreckend waren vor allem die Unzulänglichkeiten der deutschen Mannschaft im taktischen sowie im Zweikampfverhalten. Die DFB-Spieler ließen den Kroaten viel zu viel Raum, waren gedanklich stets zu langsam, agierten uninspiriert und konzeptlos. Selbst die Anführer Michael Ballack, der sein 50. Länderspiel als Kapitän bestritt, und Torsten Frings blieben blass.
Bundestrainer Löw versuchte noch, dem Spiel in der zweiten Halbzeit eine Wende zu geben, indem er Philipp Lahm für den schwachen Marcell Jansen auf die linke Abwehrseite zog, dafür den Bremer Clemens Fritz auf die rechte Abwehrseite stellte und David Odonkor einwechselte. Die Maßnahme verpuffte ebenso wie wenig später die Einwechslung von Schweinsteiger für Mario Gomez (65.).
Die Kroaten hatten im Vergleich zu ihrem Auftaktspiel gegen Österreich eine Änderung in ihrer Startformation vorgenommen: Mladen Petric von Borussia Dortmund blieb zunächst auf der Bank, an seiner Stelle spielte Ivan Rakitic vom Revierrivalen Schalke 04. In Robert Kovac, Josip Simunic und Olic standen beim Anpfiff drei weitere Bundesliga-Spieler für die Kroaten auf dem Platz.
Löw vertraute dagegen zunächst auf jene Elf, die auch im Auftaktspiel begonnen hatte. Die deutsche Mannschaft lief allerdings von Beginn an dem Elan hinterher, den sie noch bei der EM-Ouvertüre an gleicher Stelle vier Tage zuvor gezeigt hatte. Podolski etwa, gegen die Polen mit zwei Treffern der prägender Akteur, war in seinem 50. Länderspiel lange unsichtbar.
Die Anfangsphase war gekennzeichnet von der vorsichtigen Suche beider Mannschaften nach einer Lücke im gegnerischen Abwehrverbund. Die Kroaten wurden nach 23 Minuten als Erste fündig und hatten auch gleich Erfolg: Nach einer Hereingabe von Danijel Pranjic ging Srna von Schachtjor Donezk viel entschlossener zum Ball als Jansen und traf aus fünf Metern unhaltbar für Lehmann.
Der Gegentreffer brachte Löw in Rage - zu offensichtlich waren die Schwächen seiner Spieler: Pranjic hatte von der linken Seite ungehindert flanken können, Per Mertesacker in der Abwehrzentrale auch noch den Kopf eingezogen. Eine Fehlerkette, die in abgeänderten Variationen auch in der Folge zu sehen war.
Erst nach einer halben Stunde schien die DFB-Auswahl in Fahrt zu kommen. Den ersten Warnschuss gab Ballack ab: Kroatiens Torhüter Stipe Pletikosa war beim Freistoß des deutschen Kapitäns jedoch ebenso auf dem Posten wie Sekunden später gegen Christoph Metzelder (33.). Metzelder köpfte wenig später knapp über das Tor (40.).
Die klareren Möglichkeiten besaßen aber weiter die Kroaten - stets begünstigt durch das erstaunlich fehlerhafte Verhalten ihrer Gegenspieler. Lehmann verhinderte kurz vor Pause (42.) einen weiteren Gegentreffer, als er einen Schuss von Niko Kranjcar aus kurzer Distanz parierte. Olic und Vedran Gorluca, der zuvor Jansen düpierte, hatten die Chance fast ungehindert eingeleitet.
Löw ersparte Jansen nach der Pause weitere Demütigungen. Die spielbestimmende Mannschaft blieb trotz der Auswechslungen aber die kroatische. Nach dem zweiten Gegentreffer durch Olic benötigte die DFB-Auswahl bis zur 73. Minute, ehe Schweinsteiger die Chance besaß, wenigstens den Anschluss zu erzielen. Aus spitzem Winkel schoss er allerdings flach am langen Pfosten vorbei.