Cristiano Ronaldo näherte sich von hinten, als Robert Lewandowski gerade Interviews gab und das polnische Scheitern im EM-Viertelfinale analysierte. Der oft so unnahbar-abgehoben wirkende Ausnahmestürmer der Portugiesen legte seinen Arm um die Schulter des Bundesliga-Torschützenkönigs und umarmte den traurigen Bayern-Profi. «Das tut sehr weh», gab Lewandowski nach der 3:5-Niederlage im Elfmeterschießen unumwunden zu. «Wir haben kein Spiel bei diesem Turnier verloren und sind jetzt weg. Und die andere Mannschaft hat kein Spiel gewonnen und steht jetzt im Halbfinale.»
Trotz aller Traurigkeit müssen sich die Polen aber Fragen gefallen lassen. Im Achtelfinale gegen die Schweiz und auch jetzt gegen Portugal ging die Mannschaft von Trainer Adam Nawalka jeweils in Führung, tat danach aber abgesehen von Ergebnisverwaltung zu wenig. Das galt auch für Lewandowski: Nach seiner Vier-Spiele-Torlos-Phase traf der Bundesliga-Torschützenkönig zwar am Donnerstagabend in Marseille endlich und brachte Polen in der 2. Minute mit 1:0 in Führung. Doch auch er tauchte nach dem Wechsel unter.
Und weil sein künftiger Bayern-Kollege Renato Sanches ausglich und sein früherer Dortmunder Mitspieler Jakub Blaszczykowski im Elfmeterschießen an Torwart Rui Patricio scheiterte, entschieden die Portugiesen das Duell der Minimalisten für sich und spielen nun am Mittwoch in Lyon gegen Belgien oder Wales um den Einzug ins Finale.
Während Lewandowski sich den Fragen stellte, schlich der traurige Blaszczykowski wortlos aus dem Stade Vélodrome. Der von Borussia Dortmund an den AC Florenz ausgeliehene 30-Jährige spielte lange Zeit eine starke EM und glänzte als zweifacher Torschütze. Gerne würde er in der kommenden Saison wieder nach Dortmund zurückkehren und unter Trainer Thomas Tuchel einen neuen Anlauf an alter Wirkungsstätte starten. Doch ob Tuchel und der BVB das auch wollen, ist fraglich.
Gegen Portugal jedenfalls gelang keine Eigenwerbung mehr. Im Zusammenspiel mit seinem früheren BVB-Mitspieler Lukas Piszczek klappte auf der rechten Seite nicht viel - und dann hielt Patricio auch noch seinen Elfmeter. Von seinen Mitspielern gab es keine Vorwürfe, im Gegenteil. Sofort nach dem Fehlschuss spendeten die Kollegen aufmunternden Applaus.
Als Ricardo Quaresma anschließend den fünften portugiesischen Schuss verwandelte, ließ sich der von allen nur Kuba genannte Blaszczykowski auf den Rücken fallen und kauerte deprimiert im Mittelkreis. Selbst beim Gang vor die Fankurve schüttelte er immer wieder den Kopf und griff sich fassungslos in die Haare.
«Elfmeterschießen ist immer eine Lotterie. Das verliert nie ein Spieler allein», tröstete Kapitän Lewandowski. «Er ist ein starker Mensch. Er hat in seinem Leben schon schwierigere Situationen weggesteckt», sagte Piszczek. Tatsächlich versuchten die Polen schon in den frühen Morgenstunden wieder, den Blick nach vorne zu richten.
«Das war trotzdem eine historische Leistung für den polnischen Fußball», sagte Lewandowski nach dem ersten polnischen Viertelfinale der EM-Geschichte. Der Bayern-Torjäger ließ mit seinem Treffer nicht nur die Kritiker verstummen, sondern war auch Wort- und Anführer auf dem Feld und in den Katakomben. «Davon müssen wir uns jetzt erholen», forderte Lewandowski. «Es sind ja nur drei Monate, bis wieder die WM-Qualifikation beginnt. Wir haben eine sehr schwierige Gruppe. Aber wir haben auch großes Potenzial in dieser Mannschaft.» Nur: Davon hätten die Polen gegen Portugal noch mehr zeigen müssen.