Das Führungstor durch Joshua Kimmich (28.) hatten der Brasilianer Marcelo kurz vor der Halbzeit (44.) und der zur Pause eingewechselte Marco Asensio (57.) umgedreht.
Kapitän Thomas Müller beklagte hinterher "die vielen vergebenen Torchancen" seiner Mannschaft. Müller wörtlich: "Wir waren zu naiv. Wir hatten mehrere, sehr gute Chancen. In der Bundesliga sagen wir Danke. Heute hat vielleicht die Bedeutung des Spiels eine Rolle gespielt. Ich musste zur Pause süffisant lächeln. Das Ergebnis tut weh. Aber im Rückspiel ist noch einiges drin."
Der FC Bayern braucht jetzt zum Weiterkommen im Rückspiel am Dienstag einen Auswärtssieg, der entweder mit zwei Toren Unterschied gelingt oder mit drei geschossenen Toren. Bei einem 1:0 würde Bayern wie schon 2014 bis 2016 vorzeitig im Halbfinale der Champions League ausscheiden. Die beiden vergangenen Auftritte in Madrid hat Bayern immer verloren.
Trainer Jupp Heynckes wird deshalb die ganze Erfahrung seiner 72 Jahre und die Cleverness aus seinen beiden Champions-League-Siegen (1998 mit Real Madrid und 2013 mit Bayern) einbringen müssen, um im Rückspiel am 1. Mai in Madrid den Finaleinzug sicherzustellen. Gleichzeitig wird die Personalnot größer: In der ersten halben Stunde fielen zwei seiner besten Spieler aus.
Zuerst in Minute 5: Arjen Robben blieb verletzt auf dem Rasen liegen. Erste Diagnose: Zerrung im Oberschenkel. Dann in Minute 32: Fast an derselben Stelle verletzte sich Jerome Boateng. Auch hier die Diagnose: Zerrung nach einem Sprint. Ob beide mit ihren muskulären Problemen bis zum Rückspiel oder zum Endspiel am 26. Mai in Kiew wieder fit sind: noch völlig offen.
Dem Bayern-Spiel waren die Schockmomente zunächst nicht anzumerken. Zwischendurch, in der 28. Spielminute, fiel das Führungstor. James Rodriguez schickte Joshua Kimmich halbrechts in den Strafraum steil, wo er mit seinem Torschuss ins kurze Eck Torwart Navas blamierte. Es war die erste Torchance, seit Thomas Müller in der ersten Minute eine Lewandowski-Flanke verpasste.
Die Leistung gegen Real Madrid war durchaus bemerkenswert, weil Bayern drei weitere Stammspieler verletzt ausgefallen waren: Neben Nationaltorwart Manuel Neuer (Mittelfuß) auch Mittelfeldspieler Arturo Vidal (Knie) und kurzfristig Linksverteidiger David Alaba (Rücken). Trainer Heynckes musste noch während des Spiels die Rollenverteilung im Spielaufbau ändern.
Mit Thiago als Ballverteiler änderte sich die Spielweise, weil Müller nach dem Robben-Ausfall an die Außenlinie rückte und nicht seine Lieblingsrolle als Schreckgespenst im Strafraum spielen konnte. Er musste rechts im Tandem mit Kimmich die Position halten wie links Ribery mit Rafinha. Wenn Müller aber zum Schuss kam (43. Minute), schwamm Real Madrids Abwehr auffällig.
Ein furioses Halbfinale wie am Vorabend zwischen FC Liverpool und AS Rom (5:2) war eh nicht zu erwarten gewesen. Zwar besetzte Rekordmann Cristiano Ronaldo das Sturmzentrum (schon 15 Tore im Wettbewerb). Aber Bayern-Torwart Sven Ulreich hatte in fünf Heimspielen erst ein Gegentor kassiert (beim 3:1 gegen PSG). Nur AS Rom (kein Gegentor) verteidigt besser.
Das Ausgleichstor durch Marcelo: ein Unfall und wohl dem Umstand geschuldet, dass im Abwehrzentrum Boateng plötzlich fehlte und sein Ersatzmann Niklas Süle offenbar nicht schnell genug auf Betriebstemperatur kam. Eine harmlose Carvajal-Flanke fiel dem Brasilianer vor die Füße. Gegen seinen Schuss aus dem Hintergrund war Ulreich chancenlos.
In der Champions League weist Bayern eine Trefferquote von 12 Prozent bei Torschüssen auf — zu wenig, um Madrid zu beeindrucken. Torschütze Kimmich meinte: "So viele Riesenchancen hatten wir nicht mal gegen Hannover letzte Woche. Ich glaube, die (von Real) haben zweimal aufs Tor geschossen und zwei Dinger gemacht."
Dem deutschen Meister gelang es in der zweiten Halbzeit zwar eine Feldüberlegenheit, die sich schon vorher in über 58 Prozent Ballbesitz ausgedrückt hatte. Aber die Anfälligkeit im Abwehrzentrum war untypisch und auffällig. Durch Rafinhas Fehlpass im Spielaufbau tauchte Asensio auf halblinks auf und erzielte alleine vor Ulreich die Führung für Real Madrid.
Genau das machte Real Madrid aus. Die Mannschaft ließ sich von den Angriffsbemühungen der Bayern nicht aus der Fassung bringen. Der Titelverteidiger will den nächsten Rekord: Zuletzt gewann der FC Bayern 1974 bis 1976 dreimal in Folge die Königsklasse. Toni Kroos: "Wir können besser spielen. Aber wir waren einen Tick effizienter."