Die Zurechtweisung kam unvermittelt und in aller Klarheit. Der linke Arm von Carlo Ancelotti schnellte hervor, die Hand war geöffnet, sie deutete auf den unbesetzten freien Raum. Der Adressat, Joshua Kimmich, eilte zurück und nahm kurz darauf einen Pass in Empfang, ehe er diesen zu den Kollegen weiterleitete. Kimmich füllte jetzt jene Rolle aus, die ihm im Aufbau zugedacht war. Ancelottis Hand ruhte wieder in der Hosentasche.
Am Ende des Mittwochabends waren Ancelottis Hände nur vorübergehend häufiger zu sehen gewesen. Das lag auch daran, dass seine Mannschaft nach dem jüngsten Formabfall mit drei sieglosen Spielen an diesem Champions-League-Abend über weite Strecken verbessert aufgetreten war. 4:1 (2:1) gewann der FC Bayern nach einer überlegen geführten Partie gegen den niederländischen Meister PSV Eindhoven, der allerdings auch die Verwundbarkeit der Münchner aufzeigen konnte. Dennoch fiel ihr zweiter Sieg im dritten Gruppenspiel nach der jüngsten 0:1-Niederlage bei Atlético Madrid verdient aus. Die Tore erzielten Thomas Müller (13.), Kimmich (21.), Robert Lewandowski (59.) und Arjen Robben (84.) gegen seinen ehemaligen Verein. Für Eindhoven traf Luciano Narsingh (41.).
Korrekturanweisungen von Ancelotti waren im Vergleich zum jüngsten 2:2 bei Eintracht Frankfurt seltener nötig gewesen. Es sei seine Aufgabe, ruhig seinen Job zu machen und den Spielern Lösungen aufzuzeigen, hatte der Italiener tags zuvor erklärt, an seinem 100. Arbeitstag an der Säbener Straße. Er sei nicht dafür da, die Spieler zu bestrafen, und es sei auch nicht sinnvoll, nun besonders viele von ihnen auszutauschen. „Wir müssen die Haltung wechseln, nicht die Spieler“, hatte Ancelotti gesagt.
Herauskam eine Aufstellung, in die Lewandowski für Kingsley Coman gerückt war, die ansonsten aber auch taktisch wie in Frankfurt ausfiel. Deutlich ausgeprägter allerdings kam das Engagement der Münchner daher. Es war jene Haltung, die sich Ancelotti gewünscht hatte.
Von Beginn an bestimmten die Bayern das Geschehen mit Abschlüssen in schneller Folge nach teils hübschen Kombinationen. Müller, Robben und David Alaba vergaben zwar die ersten guten Chancen, die sich aus dem flüssigen Spiel eröffnet hatten. Doch die vierte ernstzunehmende Torannäherung führte zum Erfolg. Robben setzte Müller am kurzen Pfosten in Szene. Den ersten Versuch konnte Eindhovens Torwart Jeroen Zoet zwar noch abwehren, den zweiten aber versenkte Müller auch deshalb recht mühelos, weil sich alle übrigen PSV-Spieler erstaunlicherweise von ihm fernhielten. Das war bezeichnend für die Gästevorstellung, die zunächst sehr körperlos geriet.
Die Folge waren weitere Münchner Chancen, unter anderem durch Eindhovens Héctor Moreno, der mit einem Pfostenschuss nur knapp an einem Eigentor vorbeischrammte (17.). Vier Minuten später stand es dennoch 2:0, nachdem David Alabas Flanke abgefälscht worden war und Kimmich seinen Kopf vermutlich gar nicht mehr hätte einsetzen müssen, um den Ball über die Linie zu bugsieren.
Bayerns Verwundbarkeit wird aufgezeigt
Erst als die Münchner das Tempo danach ein bisschen herausnahmen, konnten die Gäste mit den ehemaligen Bundesligaprofis Luuk de Jong (Mönchengladbach) und Daniel Schwaab (Freiburg, Leverkusen, Stuttgart) nennenswert am Spiel partizipieren. Aufgezeigt wurde dabei allerdings auch die Verwundbarkeit des FC Bayern, insbesondere in Kontersituationen. Zwei Gegenstöße genügten zu Narsinghs Anschluss kurz vor der Pause, nachdem er den Ball ungestört über den halben Platz hatte nach vorn treiben dürfen und über Torwart Manuel Neuer hinweg ins lange Eck traf. Mit Joshua Brenets ähnlichem Versuch nach noch einem ungestörten Lauf hatte Neuer aber wenig Mühe.
Eindhoven mühte sich nach der Pause um den Ausgleich, und Neuer war durchaus gefordert, diesen zu verhindern. Der Nationaltorwart war es auch, der als Aufbauspieler auf der linken Seite von erstaunlich weit außerhalb seines Hoheitsgebiets mit einem weiten Pass jenen Angriff einleitete, an dessen Ende Robben in gewohnter Manier durch den Strafraum seines ehemaligen Vereins kurvte und mit links abschloss. Lewandowski drückte den Abpraller mit dem Kopf über die Linie. Draußen fanden Ancelottis Hände wieder zur Ruhe.