"Derzeit habe ich einen guten Lauf. Allerdings sollte niemand von mir erwarten, dass ich in Berlin durch die Konkurrenz spaziere", sagte Boll. Der Weltranglistenfünfte ist auf der Pro Tour seit 18 Spielen unbesiegt, bei den bisher letzten beiden Turniersiegen verlor er nur drei Sätze. Seine ärgsten europäischen Widersacher Werner Schlager und Wladimir Samsonow wurden von Boll sogar teilweise vorgeführt. Der Ausnahmespieler war der Konkurrenz zuletzt nicht nur spielerisch, sondern auch körperlich überlegen. Die Fitness bereitet Boll momentan jedoch zumindest kleine Sorgen. Nachdem er am Wochenende im Liga-Spiel mit Borussia Düsseldorf beim TTC Frickenhausen umgeknickt war, sagte Boll für Berlin den Start in der Team-Konkurrenz kurzfristig ab.
Trotz des Handicaps am Sprunggelenk ließ sich Boll ein "Sondertraining" einen Tag vor Turnierstart nicht nehmen. Am Dienstagvormittag forderten ihn einige Fußball-Nationalspieler zu ein paar lockeren Ballwechseln heraus. Für das Länderspiel gegen England am Mittwoch hatte Tischtennis-Fan und DFB-Präsident Theo Zwanziger eigens eine Loge für Boll und Co. reserviert. Aufgrund des parallel startenden Team-Wettbewerbs mussten die Silber-Helden von Peking die Einladung jedoch schweren Herzens ausschlagen.
Das verpasste Länderspiel dürfte Bolls einziger Wermutstropfen in Berlin bleiben, seinem dritten Erfolg bei den German Open nach 2004 und 2006 sollte nichts im Wege stehen. Zumal nicht nur die chinesischen Asse um Olympiasieger Ma Lin wegen des heimischen Liga-Betriebs fehlen. Auch Österreichs Ex-Weltmeister Schlager, der weißrussische EM-Zweite Samsonow sowie der Olympiavierte Jörgen Persson aus Schweden verzichteten auf einen Start. Der Vorverkauf für die erstmals seit 1960 wieder in Berlin stattfindenden German Open läuft trotz der Absagenflut gut. Im Vorverkauf gingen bisher 8000 Tickets weg, der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) hat mit 10.000 verkauften Karten kalkuliert.
Beim DTTB sieht man das Fernbleiben einiger Stars ohnehin gelassen. "Für die Emotionalität der Spiele in Berlin ist es vielleicht sogar positiv, wenn es nicht so viele asiatische Duelle gibt", sagte Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig und mahnte: "Für Timo ist die Abwesenheit der Chinesen ohnehin kein Freibrief für den Titelgewinn."
Sein Heimspiel kann Boll dennoch nur von wenigen Spielern verdorben werden. Der frühere WM-Dritte Michael Maze (Dänemark), der Japaner Kan Yo, Bolls einstiger Angstgegner Alexej Smirnow sowie sein Düsseldorfer Vereinskollege Dimitrij Ovtcharov dürften die härtesten Konkurrenten um den Siegercheck des mit 120.000 Euro dotierten Turniers sein.